Eine Neukaledonische Krähe (Corvus moneduloides) stellt erfolgreich Äsops Fabel nach. Den Großteil der von den Forschern gestellten Aufgaben meisterten die Vögel mit erstaunlichen Einsichten für kausale Zusammenhänge.

Foto: Sarah Jelbert

Auckland - Nur wenige Tierarten können kausale Zusammenhänge intuitiv erfassen. Menschenaffen haben ihre diesbezüglichen Fähigkeiten bereits in einigen Experimenten unter Beweis gestellt. Unter den Nicht-Primaten sind es vor allem die Rabenvögel, die als tierische Geistesgrößen gelten. Eine Reihe von Experimenten offenbarte nun, dass Krähen ein sogar noch höher entwickeltes Verständnis für grundlegende physikalische Vorgänge haben als bislang angenommen. Der griechische Dichter Äsop lieferte die Basis für die Tests. Das Ergebnis verblüffte die Forscher: die Tiere zeigten sich so intelligent wie Schulkinder.

In Äsops Fabel plagt sich eine Krähe damit ab, ihren Durst aus einem Krug zu stillen. Das Wasser darin ist außerhalb der Reichweite seines Schnabels und nachdem ein Versuch, den Krug umzustoßen scheitert, wirft der Vogel Steine in das Gefäß. Der Wasserspiegel steigt und die Krähe kann schließlich trinken. Die von Wissenschaftern um Sarah Jelbert von der Universität Auckland in Neuseeland durchgeführten Versuche legen nahe, dass Äsops Geschichte tatsächlich so stattgefunden haben könnte.

Geschickt im Einsatz von Werkzeugen

Die Verhaltensforscher brachten einer Gruppe von sechs wild lebenden Neukaledonischen Krähen (Corvus moneduloides) in einem ersten Schritt bei, mit Steinen zu hantieren. Nachdem die lernfähigen Vögel auch in freier Wildbahn beispielsweise Zweige geschickt als Werkzeuge einsetzen, stellte dies für die Tiere keine große Herausforderung dar.

Dann aber ging es ans Eingemachte: Die Krähen sollten in mehreren ähnlichen Experimenten Gegenstände in ein mit Wasser gefülltes Gefäß werfen, um so an einen Leckerbissen zu gelangen, der an der Wasseroberfläche trieb. Videoaufnahmen dokumentieren, dass die Tiere tatsächlich mit den Prinzipien der Wasserverdrängung vertraut sind. So war ihnen offenbar klar, dass es wenig bringt, einen Stein in ein mit Sand gefülltes Glas zu werfen. Im entsprechenden Experiment wählten sie stets den Wasser-gefüllten Behälter. Darüber hinaus entschieden sie sich sie aus einer Reihe von Gefäßen fast immer für jenes mit dem höchsten Wasserstand.


Video: Die Experimente mit den Krähen offenbaren ein tieferes Verständnis für physikalische Zusammenhänge bei den Tieren (Quelle: Sarah Jelbert/Youtube).

Noch erstaunlicher ist, dass die Krähen den Unterschied zwischen schwimmenden und absinkenden Objekten kennen und entsprechend handeln: schwimmfähige Materialien, etwa Styroporstücke oder Hohlkörper, ergriffen sie zwar mit ihren Schnäbeln, verwarfen sie aber sogleich wieder und schnappten sich statt dessen einen massiven Stein, der sie folgerichtig an ihr Ziel brachte. Wie die Forscher im Fachjournal "PLOS ONE" schreiben, reicht ein derart tiefgehendes Verständnis für kausale Zusammenhänge an die Geschicklichkeit von fünf- bis siebenjährigen Kindern heran.

Grenzen des Krähen-Verstandes

Freilich stoßen auch Krähen irgendwann an ihre kognitiven Grenzen. Bei den beiden letzten Experimenten versagten die Vögel: Hatten sie die Wahl zwischen zwei ungleich dicken Gefäßen, dann wählten sie nicht die schmale Variante, bei der das Wasser stärker gestiegen wäre. Und auch kommunizierende Röhren, bei denen der Stein in der ersten Röhre das Wasser in der zweiten steigen lässt, entzieht sich ihrem Verständnis. Dies haben sie jedoch auch mit Menschen gemein: Kinder unter sieben Jahren können mit solchen physikalischen Zusammenhängen oft ebenso wenig anfangen.

Für Sarah Jelbert haben die Ergebnisse eine hohe Aussagekraft: "Die Resultate sind so eindrucksvoll, weil sie die Stärken und Grenzen der kognitiven Fähigkeiten von Krähen beleuchten. Ihr Versagen bei Aufgaben, die normales Verständnis von kausalen Zusammenhängen verletzen, zeigen, dass die Vögel dort, wo sie erfolgreich waren, wirklich eine Art Einsicht in die Konsequenzen ihrer Handlungen haben." (tberg, derStandard.at, 28.03.2014)