Der Karpfen und Christian Petz.

Foto: Heribert Corn

Letzterer bereitete aus Ersterem ...

Foto: Heribert Corn

...der Standard-Redakteurin ...

Foto: Heribert Corn

...ein Weihnachtsessen zu.

Foto: Heribert Corn

Einen halben Tag hat Ihre Nahostredakteurin über ein Angeber-Scherzchen zur Eröffnung dieser Geschichte nachgedacht, so à la: "Was ist der Unterschied zwischen dem Hosni Mubarak und dem Christian Petz?" Aber der liegt ja nun wirklich auf der Hand. Nein, nicht der islamische Bart. Der Unterschied ist der, dass, wenn ich ihn darum bitte, mir der eine etwas kocht und der andere etwas pfeift. Ha ha, na ja, Ägypten war auch schon einmal lustiger. Aber das mit dem Petz ist kein Witz: Der hat sich hingestellt und sich extra für mich - und für meine p. t. Leserschaft - einen Trumm Karpfen vorgenommen, denn schließlich war ja die Aufgabe etwas Weihnachtliches. Bei mir kommt das nach jetzigem Stand zu Silvester in die Pfanne. Perfektes Einladungsessen, lässt sich gut vorbereiten.

Karpfen mit Schwarzwurzeln

Terminlich war unsere Kocherei zwar eher an Nikolo, und die Sonne schien über das vormittäglich ruhige Badeschiff, aber in der Küche des Holy-Moly wurden bereits den Schweinsohren Beine gemacht (eine Metapher von wahrlich shakespearischer Wucht!). Im Ernst: die Schweinsohren für den lackierten Aal. Wir gehen es hier aber gemütlicher an (obwohl, Schweinsohren sind eh urgemütlich). Jedenfalls, unser Karpf steckte noch irgendwo auf dem Weg vom Aibler, das heißt vom Inzersdorfer Großgrünmarkt, in das, was die Wiener "City" nennen - was schon allein angesichts der derzeit massiert anzutreffenden Almhütten seltsam ist. Auf dem Badeschiff sitzend ist einem das aber egal. Und der Meister begab sich derweil ans Küchenbrettl, wobei, wie meine mich begleitende, aber derzeit als solche vazierende Co-Autorin Christa Fuchs bewundernd feststellte, sich dieser "seinen Dreck selbst wegräumt". Das ist für Männer und Chefs jeglichen Geschlechts in der Tat eine Leistung.

Zuerst musste Christian Petz den "Dreck" aber erst einmal herstellen, zu Beginn entstand dieser durch das Schälen von Schwarzwurzeln. Es wird Zeit, dem Baby einen Namen zu geben oder zumindest dessen Schönheit zu beschreiben, also, es gibt "Karpfen mit Schwarzwurzeln in einer Kapern-Rosinen-Sauce". Das einschlägige Gastrokritik-Vokabular fehlt mir leider, um das Resultat in Worte zu fassen, ich will mich ja nicht blamieren. Nur so viel: Dass mir, erst nachdem wir's aufgegessen hatten, einfiel, dass wir eigentlich den Koch fragen hätten sollen, ob er's kosten will, lässt auf einen gewissen Futterneid schließen. Sein Pech. Die Fuchs allerdings beharrt darauf, dass das eh nicht notwendig war.

Stellen Sie den Fotografen in Zitronenwasser ...

Aber jetzt yallayalla: Die Schwarzwurzeln sind geschält und halbiert, und die schönen Teile werden in Stücke geschnitten, so groß, wie Sie's auf dem Foto oben rechts sehen (wir sind heute mehr optisch unterwegs, ich habe neben dem Heribert Corn mitfotografiert, denn ich war zu faul zum Mitschreiben, etwas, das bei einem Präsidenten-Interview nicht geht ...). In Zitronenwasser abstellen, nicht den Corn, nicht den Mubarak, sondern die Schwarzwurzeln. Die nicht so schönen kommen, in Stückerln geschnitten, in den Sud für die Sauce, neben Stangensellerie, Knoblauch, Schalotten und Thymian. In Butter anschwitzen, mit Weißwein löschen und mit Hühnerfond aufgießen, einkochen lassen. Am Schluss kommt dann noch etwas Kalbsbratensafterl dazu. Hier ist wieder einmal ein "Wer hat, der hat" angebracht.

Dann wandte sich der Maestro dem inzwischen herbeigeschwommenen Karpfen zu, durchaus freundlich, wie man im Bild oben links sehen kann. Unsereinem kann so ein Brummer schon etwas Furcht einjagen, wenn es darum geht, ihm die Filetln abzuringen, die man braucht. Zwischen dem ersten und dem zweiten Foto oben liegt jedenfalls der Kampf mit dem Ungeheuer von Loch Holy-Moly, wobei ein großes Messer zum Einsatz kam und wieder eine Menge selbst wegzuräumender "Dreck" anfiel, zum Beispiel wunderschön große Schuppen, rotes Karpfenblut, aber auch eine beeindruckende Fischblase samt einer stattlichen Portion Beuschl, um das sich aber Christian Petz, erzählte er uns, nicht unbedingt reißt. War auch nicht das Thema. Ich pflege auf die Frage, woher die Fischbeuschlsuppe kommt, zu antworten: aus dem 23. Bezirk. Dort wohnt die Fuchs.

Weiter im Film. Wie man ebenfalls abgebildet sehen kann, wurde unser Karpfenfilet sorgfältig geschröpft, auf der Hautseite im Halbzentimeterabstand bis fast zum Boden des Filets durchschnitten, wobei die Behauptung, dass die Gräten dieserart zum "Schmelzen" gebracht werden, in den Christkindbereich verwiesen wurde: Sie werden nur so klein, dass die Überlebenschancen steigen, sollte man darauf bestehen, eine zu verschlucken. Mahlzeit.

Alsdann kam der Mörser zum Einsatz, und dieses an den Karpfen angewandte "Brotgewürz" empfiehlt Christian Petz auch für andere robuste Süßwasserfische wie den Waller. Total überzeugend. Kümmel, Koriander, wenig Wacholder und Fenchel wurden gemörsert und auf die Hautseite unseres Karpfens appliziert, und nicht zu knapp.

Danach ging es für die Schwarzwurzeln in die nächste Runde. Sie werden in stark gesalzenem Wasser blanchiert, und zwar so lange, wie der Fotograf Zeit hat: Auf unseren Herrn Heribert, der anders als unser Karpfen pünktlich eingetroffen war, wartete der nächste Termin, deshalb blieben die Schwarzwurzeln etwas kürzer im Wasser - was sich jedoch für die Fuchs und mich später als idealer Garpunkt erwies. Etwas zum Beißen für die Giftzahnderln - aber das hat Meister Petz echt nicht gesagt, sondern sich höchstens gedacht. Also, um es, wie man so schön sagt, für das werte Publikum herunterzubrechen: Kochen Sie Ihre Schwarzwurzeln so lange, wie es individuell beliebt.

... und füttern Sie ihn mit Weinberln

Diese Schwarzwurzeln werden dann mit Pfeffer und Koriander gewürzt und nehmen in Butter leicht Farbe, bevor sie mit dem abgeseihten Fond aufgegossen werden. Mit ganz wenig Maizena binden. Ein halber Esslöffel Kapern - die kleinen, gschmackigen in Essig, Nonpareilles heißen die (nur um zu beweisen, dass man auch nicht auf der Nudelsuppn dahergschwommen ist). Ebenso viele Weinberln (wobei auch noch an das ebenso aussterbende schöne arabische Lehnwort "Zibeben" erinnert sei!), die in die Hälfte geschnitten wurden, damit sie so groß wie die Kapern sind. Hübsch soll es auch noch sein, ist ja Weihnachten.

Der Karpfen wird wie folgt prozessiert: Gewürzt mit Salz und Zitrone und auf der Hautseite, no na, leicht eingemehlt, kommt er - zuerst Haut unten - in die Pfanne, wo ihm ein bissl Knoblauch und Thymian Gesellschaft leisten. Noch etwas geschnittene Petersilie und Sellerieblätter in die Sauce, diese angerichtet und auf dieser wiederum unser nicht zu viel und nicht zu wenig gegarter Karpf. Ein Grießnockerl für jeden hat sich idealerweise auch noch gefunden dazu. Getrunken haben wir aber nicht den Zweigelt von nebenan, der gehört gar nicht zu uns, sondern auf Anleitung des Chefs einen Rosé von den Ebner-Ebenauers aus Poysdorf. Dann sangen wir Stillenacht, aber echt wahr.

Man isst sich, man liest sich

Ansagen lassen haben wir uns aber auch noch das Rahmkraut, das eine mögliche Begleitung zu einem (anderen) Karpfen ist: Zwiebeln in Butter anschwitzen, mit Weißwein löschen, Sauerkraut dazu - ein so saures, "wie man's eben gern hat", sagt Christian Petz auf Nachfrage, also dem ist auch schon alles wurscht -, mit Hühnerfond aufgießen, Lorbeerblatt und so viel Kümmel und Wacholder, wie eben noch fehlt von der Grundzubereitung des Krauts. Weichkochen, ziemlich trocken sollte es sein. Dann kommt, wenn man will, ein geriebener Erdapfel zum Binden dazu, "ordentlich" Crème fraîche, so dass es schön sämig wird, und am Schluss Zitronenschale, und zwar wieder "ordentlich".

Auf die brennende Frage des Publikums, wie ich eigentlich dazu komme, so einen absoluten Spitzenkoch, dem die Hauben nur so um den Schädel schwirren, in meine "Haberer und andere qualifizierte Menschen bekochen mich"-Serie einbauen zu können, antworte ich nur: Wer kann, der kann! Zum geheimnisvollen Verhältnis zwischen Christian Petz und mir nur so viel: Man isst und man liest sich, sozusagen. (Gudrun Harrer/Der Standard/rondo/17/12/2010)