Dass in der aktuellen Diskussion das "Feindbild Vermieter" gepflegt wird, stört die Immobilienwirtschaft naturgemäß sehr.

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So manche für Einbrecher gedachte Botschaft ist durchaus auch für Vermieter aufschlussreich.

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Wien/Graz/Innsbruck - Profitorientierter Hausbesitzer "mobbt" Mieter, um Wohnungen leer zu bekommen: In letzter Zeit scheinen sich solche Fälle zu häufen. Neben Wien gelten Innsbruck und Graz wegen der auch dort sehr hohen Altbaubestände als Konfliktherde für sogenannte Mietspekulation: Jemand kauft ein Haus oder eine Wohnung, um zu sanieren und dann teurer weiterzuverkaufen - das ist nicht ungesetzlich, doch wollen Altmieter nicht gehen, sind sie nicht selten Schikanen ausgesetzt.

"In Innsbruck habe ich derzeit mit einem besonders drastischen Fall zu tun, in dem ein Mieter inzwischen seit über einem Monat ohne Strom leben muss", berichtet Mirko Handler vom Mieterschutzverband Tirol. Ein Hausbesitzer versuche seit Jahren, die letzten Altmieter mit unbefristeten Verträgen aus dem Haus zu bekommen, diese wollen allerdings bleiben. "Begonnen hat es mit Hausbesuchen an Wochenenden und ähnlichen kleineren Ärgernissen", erzählt ein Betroffener. Wer nun die Stromleitung gekappt hat, ist ungeklärt.

Beherbergungsbetriebe

In Graz ist ein relativ neues, durchaus problematisches Phänomen aufgetaucht: Wohnobjekte, die als Beherbergungsbetriebe deklariert werden - was bedeutet, dass in diesen Häusern keine Mietobergrenzen existieren und deshalb auch für 15 m² große Zimmer mit WC am Gang 300 Euro verlangt werden können, erzählt Alfred Strutzenberger, Bürochef von Wohnbaustadträtin Elke Kahr. "Bei Mietwohnungen könnten wir die Miethöhe sofort beeinspruchen, hier aber nicht, weil diese Häuser als eine Art Hotel geführt werden", sagt Strutzenberger zum Standard.

Ansonsten liegen Skandale um leerstehende Häuser, Immobilienspekulationen und Hausbesetzungen in Graz schon etliche Zeit zurück. 2008 und 2009 kam es wegen einiger Hausbesetzungen auch zu Polizeieinsätzen. Jugendliche wollten mit der Okkupierung der Häuser autonome Kulturzentren erzwingen. Seither herrscht relative Ruhe. "Natürlich gibt es auch in Graz immer wieder Fälle von Hausbesitzern, die alte Mieter raushaben wollen, aber die Dramatik der aktuellen Wiener Fälle hat das nicht", sagt die Bundesobfrau des Mieterschutzverbandes, Barbara Walzl-Sirk.

Entwarnung in Graz

Selbst im Büro der KPÖ-Stadträtin Kahr, deren Partei sich als "Mieterschutz-Partei" versteht und vor Jahren einen "Mieter-Notruf" eingerichtet hat, sind gegenwärtig keine kritischen Spekulationsfälle bekannt. Es gebe zwar in der Innenstadt nach wie vor leerstehende Gebäude, aber davon seien keine Mieter betroffen. Oft handle es sich um Streitigkeiten zwischen Eigentümern.

Und auch die Abteilung für Konsumentenschutz der steirischen Arbeiterkammer gibt für Graz Entwarnung. "Der letzte Fall eines wirklichen Spekulationsskandals in Graz, wo Mieter brutal hinausgedrängt wurden, liegt schon gut 15 bis 20 Jahre zurück. Seither ist zum Glück nie wieder Ähnliches passiert", sagt AK-Wohnrechtsexperte Herbert Erhard. Es gebe zahlreiche Beratungsmöglichkeiten, "wir werden schon beim ersten kleinen Konflikt angerufen und sehr früh alarmiert", sagt Walzl-Sirk. Wohl mit ein Grund für die relative Ruhe am Spekulationsmarkt.

Es gibt auch unanständige Mieter

Nach über 30 Jahren im Geschäft mit Immobilien-Transaktionen ist dem Wiener Rechtsanwalt und Präsidenten der Wiener Rechtsanwaltskammer Michael Auer nichts mehr fremd. Sein Erfahrungsschatz ist reich, sowohl mit sehr anständigen Mietern als auch mit dem Gegenteil: Wer bei ihm zwei Monate im Mietrückstand ist, bekommt eine Mahnung samt Vertragsauflösung. Wer dann immer noch nicht bezahlt, dem steht eine Mietzins- und Räumungsklage ins Haus.

Aber: Vor Ablauf eines Jahres hat man in diesen Fällen den Mieter nicht draußen, so Auers Erfahrung. "Wer nie Miete, nie Betriebskosten und nie Umsatzsteuer bezahlt, steht bei mir vor dem Strafgericht, denn das ist Betrug", sagt er.

20 bis 50 Delogierungen pro Jahr habe er in seiner Kanzlei. Zu den schlimmsten Fällen zählen für ihn Leute, die etwa krankhaft Müll in der Wohnung horten, oder Menschen, die ihren Urin in leere Milchpackungen abfüllen und diese dann in der Wohnung aufstellen.

450.000 Euro für Mietrechtsverzicht

Ein leidiges Thema seien auch die Eintrittsrechte, wenn sich über Generationen nahe Verwandte in einer günstigen Mietwohnung anmelden, ohne tatsächlich dort zu wohnen. Auer erzählt von einem Klienten, der dem Mieter für eine 180 m² große Wohnung im 9. Bezirk 450.000 Euro bezahlt hat, nur damit er auf das Mietrecht verzichtet. Und als Privatperson bekommt er das Geld noch dazu völlig steuerfrei. "Da sitzen Generationen auf 340 m2 in bester Lage zu gedeckelten Mieten bei 5,10 Euro/m²." Das habe sich zu einem "sehr guten, risikolosen Geschäft der Mieter zu Lasten der Hauseigentümer" entwickelt, berichtet Auer.

Mit diesen gedeckelten Mieten könne man sich den Kaufpreis und die Renovierungen der Wohnungen eines Hauses und dessen Erhaltung einfach nicht leisten. Die Folge: Immer häufiger komme es vor, dass Altbauten abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Diese Wohnungen können dann zu Marktpreisen vermietet oder verkauft werden.

Diese Vorgangsweise erwartet Auer übrigens auch bei dem Haus in der Wiener Mühlfeldgasse, das von Punks besetzt wurde. "Die Eigentümer werden das Haus abreißen und einen Neubau hinstellen. Nur das rechnet sich. Wobei aus seiner Sicht die Republik sehr wohl einen Teil der Kosten des Polizeieinsatzes vom Eigentümer des Hauses ersetzt bekommen könnte. "Es wäre zu prüfen, welches Verschulden und welche Rechtswidrigkeit den Hauseigentümer treffen."

Skurrile Rechtsprechung

In aller Regel ist das heimische Mietrecht stärker als jeder Hauseigentümer, weiß auch der Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI), Anton Holzapfel. Skurril sei mitunter auch die Rechtsprechung, die tendenziell den Mieter schütze. "Es kommt vor, dass die Großmutter längst im Pflegeheim ist und das Enkerl in der Wohnung nie gewohnt hat, aber ein Eintrittsrecht begehrt. Die Eigentümer müssen dann im Kündigungsprozess nachweisen, dass das Enkerl dort nicht gewohnt hat." Das könne bedeuten, dass Detektive eingesetzt werden oder die Nachbarn befragt werden müssen, ob das Enkerl tatsächlich regelmäßig dort wohnt. Einfach sei das nicht, weil die Gerichte eher den Mieter in Schutz nehmen würden und auch davon ausgehen, dass die Großmutter das Pflegeheim vielleicht wieder verlassen könnte.

Feindbild Vermieter

Was Holzapfel an der aktuellen Diskussion ärgert: Es werde wieder einmal das "Feindbild Vermieter" gepflegt. Dabei seien 60 Prozent des Wiener Mietbestandes Gemeindewohnungen oder gefördert errichtete Wohnungen von gemeinnützigen Bauträgern. "Aber wenn es stimmt, dass in den nächsten Jahren 200.000 Menschen nach Wien ziehen, dann sollte die Diskussion in Richtung gerechter Verteilung von Wohnraum gehen", argumentiert Holzapfel. "Weil diejenigen, die zuziehen, keinen Zugriff auf die günstigen Wohnungen der Gemeinnützigen haben. Die müssen zu den privaten Vermietern gehen." (Walter Müller, Katharina Mittelstaedt, Claudia Ruff, DER STANDARD, 9.8.2014)