Die junge US-Amerikanerin "Breanna" löst mit ihrem Auschwitz-Selfie eine Kontroverse aus.

Foto: Screenshot/Twitter

Selfies von Holocaust-Gedenkstätten sind keine Seltenheit.

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Auch das Holocaust-Mahnmal in Berlin ist ein beliebtes Motiv.

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Ein breites Lächeln innerhalb des Konzentrationslagers: So präsentiert sich die junge US-Amerikanerin "Princess Breanna" auf einem Selfie, das vor einigen Wochen um die Welt ging. "Du hast das schlimmste Selfie aller Zeiten gemacht", lautet einer der höflicheren Kommentare, nachdem die junge Dame das Bild auf Twitter teilte. Doch Brianna ist nicht allein – im Gegenteil. "Wir sehen recht häufig, dass Selfies gemacht werden", zitiert die "ZEIT" Bartosz Bartyzel, der als Sprecher der Gedenkstätte Auschwitz tätig ist.

Selfie aus der Gaskammer

Kein Ort kann dabei düster und vorbelastet genug sein, um die meist jugendlichen Selfie-Aufnehmenden zurückzuschrecken. "Manchmal machen sie Fotos direkt an der Todeswand, an der die Erschießungen stattfanden", erzählt Bartyzel. Auch Selfies aus den Gaskammern gibt es auf Twitter und Instagram zu sehen, laut "Vice" oft garniert mit zynischen Hashtags wie "Yolocaust".

Junge Israelis machen Selfies

Allerdings sind die Selfies nur in wenigen Fällen als Zeichen von Antisemitismus zu bewerten: Wie das Magazin "New Yorker" berichtet, seien die Aufnahme vor allem bei jungen Israelis verbreitet, die auf den Spuren ihrer oft in den Konzentrationslagern ermordeten Vorfahren nach Europa reisten.

So sammelte eine Facebook-Page namens "With my Besties in Auschwitz" die KZ-Selfies junger Israelis. Die Bilder hatten Unterschriften wie "Babes! Ich sichere euch einen Bus nach Treblinka (Vernichtungslager, Anm.)" oder "Sogar hier bin ich wunderschön!". Es könnte dabei gut sein, dass die jungen Menschen nicht mit dem Schrecken des Ortes umgehen können und ihr zynisch anmutendes Verhalten daraus resultiert.

"Schaut mich an, schaut mich an!"

Gegenüber dem "New Yorker" gibt die Betreiberin der Facebook-Seite, selbst eine junge Israeli, auch der Politik die Schuld. Das Gedenken an den Holocaust werde inflationär verwendet, ihm so die Bedeutung gestohlen. Der New Yorker Eric Katzman, der am "Marsch der Lebenden", einem Gedenkmarsch junger Juden, teilnahm, sieht hingegen die gesellschaftlichen Konventionen der digitalen Ära als Ursache. "Die Kids leben in einer Welt, in der gilt: Schau mich an, schau mich an", so Katzman in der "Zeit". Diesen Modus vivendi könnten sie auch in Konzentrationslagern nicht abstellen.

Nicht nur auf Holocaust-Mahnmale beschränkt

Allerdings ist der Umgang mit Museen und Mahnmalen insgesamt eine heikle Materie: So gibt es etwa eine Vielzahl von allzu fröhlichen Bildern beim Berliner Holocaust-Mahnmal. Ein Blog dokumentiert, wie viele Menschen bei den Stelen des Denkmals für Dating-Seiten wie Tinder oder Grindr posieren. Aber nicht nur an Holocaust-Gedenkstätten agieren die unsensiblen Selfie-Macher: "Selfies at Serious Places" zeigt, dass die unkritische Auswahl an Motiven unendlich ist: Denkmäler des Vietnamkriegs oder das 9/11-Museum gehören genauso dazu.

Kein Verbot geplant

Ein Fotografierverbot soll – zumindest in Auschwitz – dennoch nicht eingeführt werden, so der Sprecher der Gedenkstätte gegenüber "Heise". Viele machten die Selfies, bevor sie die aufklärenden und aufrüttelnden Teile der Ausstellung besuchten, berichtet das Technikmagazin weiter. Und vermutlich trägt auch die Touristifizierung des Konzentrationslagers selbst zu den Selfies bei – denn auch ganz ohne diese haben All-Inclusive-Tagesausflüge nach Auschwitz in den vergangenen Jahren für heftige Kritik am "Holocaust-Tourismus" gesorgt.

Die junge US-Amerikanerin, die für die Diskussion mitverantwortlich ist, hat sich übrigens ausführlich zu den Vorwürfen geäußert:

TakePart Live

Sie würde ihr Selfie wieder machen - gibt aber an, durch ihre Aktion vielleicht "Interesse am Holocaust" ausgelöst zu haben. Auch genieße sie es, jetzt "ein bisschen berühmt zu sein". (fsc, derStandard.at, 31.8.2014)