Wien - Schätzungsweise 50.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind von sogenannten seltenen Krankheiten betroffen. Von solchen "rare diseases" sprechen Mediziner dann, wenn die Krankheit bei maximal fünf von 10.000 Menschen auftritt. 7.500 derartige Krankheiten sind in einer Fachdatenbank verzeichnet, und fast jede kann auch Kinder betreffen und für Kinderärzte eine Herausforderung darstellen.

Anlässlich der am Mittwoch beginnenden Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) an der MedUni berichten Experten unter anderem vom aktuellen Stand in Sachen Behandlung solcher Krankheiten.

Die positive Nachricht: Die Therapiemöglichkeiten haben sich enorm verbessert. Dazu tragen neue Erkenntnisse speziell auf dem Gebiet der Genetik bei. "Die Kindermedizin hat in den letzten zehn Jahren geradezu eine revolutionäre Entwicklung genommen", sagt Arnold Pollak, Leiter der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der MedUni Wien am AKH. Doch: "Gerade bei seltenen Erkrankungen müssen Betroffene lange Wege, oft auch Umwege, von der Diagnose bis zur Therapie und eventuellen Nachkontrollen zurücklegen", so Pollak.

Zu wenig Anerkennung für Kinderärzte

Ein Problem sei, dass die Pädiatrie noch immer als gesamtheitliches Fach betrachtet werde - im Unterschied zu Erwachsenenmedizin mit ihren Spezialisierungen. "Das macht es für Ärzte sehr, sehr schwer", gab der Experte zu bedenken. Obwohl Kinderärzte für die gesamte Bandbreite - vom Schnupfen bis zur Knochenmarktransplantation - zuständig sind, gilt die Pädiatrie innerhalb der Medizin nach wie vor als "kleines Fach".

ÖGKJ-Präsident Reinhold Kerbl bemängelte, dass Allgemeinmediziner in Zukunft möglicherweise nur drei statt wie bisher zumindest vier Monate pädiatrische Ausbildung absolvieren müssen. "Wir haben es von der Gesundheitspolitik in letzter Zeit 'kalt-warm' bekommen", konstatierte der in Leoben tätige Facharzt. Als positive Beispiele nannte er die Gründung des Forschungsnetzwerks OKIDS, dass sich mit Arzneimittelsicherheit für Kinder beschäftigt, und die Einigung auf einen Ausbau der Kinder-Reha nach 15 Jahre währendem Streit zwischen Hauptverband und Ländern über die Finanzierung.

Große Defizite ortet Kerbl bei der Prävention - besonders von Adipositas, Suchterkrankungen und Unfällen. Mehr getan werden müsste aus Sicht der Kinderärzte für soziale und psychische Gesundheit. "Aus unserer Sicht gibt es eine Zunahme der seelischen Belastungen. Das ist ganz evident", erklärte Klinikchef Pollak. (APA/red, derStandard.at, 16. 9. 2014)