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Ihr Buch "Not that Kind of Girl", in dem Lena Dunham ihre "Metamorphose von der Elfe zum Gummibären" erzählt, bringt dem US-Star immerhin kolportierte 3,5 Millionen Dollar.

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Lena Dunham, "Not that Kind of Girl. Was ich im Leben so gelernt habe". Übersetzt von Sophie Zeitz und Tobias Schnettler. S.-Fischer-Verlag, 300 Seiten, € 19,90

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Am Ende der dritten Staffel hält Hannah Horvath die Aufnahmebestätigung für Iowa in Händen. Unglaublich: Sie wird studieren und Schriftstellerin sein. So klar war das nicht immer. Denn über 30 Episoden befand sich die Hauptfigur der mittlerweile mit zwei Golden Globes ausgezeichneten HBO-Serie auf Um- beziehungsweise Abwegen.

Aber genau darum geht es in "Girls" auch, um einen ungeschönten Blick auf das chaotische Leben von vier New Yorkerinnen in ihren Zwanzigern, die - im Gegensatz zu den "Sex and the City"-Frauen eine Generation vor ihnen - hauptsächlich damit beschäftigt sind, die Mieten für ihre abgewrackten Apartments zusammenzukratzen, ihre, sagen wir es vorsichtig, ernüchternden sexuellen Abenteuer zu verdauen und sämtliche neurotischen Verhaltensweisen - die eigenen und die der anderen - mit Ausbildung, Jobs, Wünschen und Zielen im Leben in Einklang zu bringen. Irgendwie zumindest.

Ein bisschen wie im Märchen

Hannahs Schöpferin, Lena Dunham (28), hat genau das geschafft. Und nicht nur irgendwie. Liest man ihr erstes Buch "Not that Kind of Girl", weiß man auch, dass daran nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Eltern immer wieder heftig gezweifelt haben. Und natürlich ist das ein bisschen wie im Märchen, dass am Ende all dieser Zweifel neben dem immensen Erfolg der Serie auch ein Buchvertrag über kolportierte 3,5 Millionen Dollar Vorschuss steht.

Dass Dunham, die seit 2012 mit dem gutaussehenden Gitarristen Jack Antonoff glücklich liiert ist, im Vorwort zum Buch ausgerechnet die inzwischen verstorbene amerikanische Herausgeberin und Autorin Helen Gurley Brown mit ihrem Ratgeberbuch von 1982, "Having It All", als Inspiration zitiert, passt da ganz gut. Denn mehr geht kaum. Dunhams Schaffen hat, zumindest innerhalb ihrer Generation, eine Wucht entwickelt, die nicht zu unterschätzen ist. Die Autorin, die, wie immer betont wird, als Kind zweier erfolgreicher Künstler (ihre Mutter Laurie Simmons ist Fotografin und der Vater Carroll Dunham Maler) "sehr privilegiert" zuerst in einem Loft in SoHo, dann in einem in Brooklyn aufgewachsen ist, ist zu einer, wenn nicht der Stimme ihrer Generation geworden, und das nicht nur, weil sie selbst auf Twitter, wo sie generationsbedingt sehr aktiv ist, darüber einmal einen überheblichen Scherz gemacht hat.

Jede Menge Blößen

Warum ausgerechnet sie? Ihr Geheimnis, das gar keines ist, weil sie ständig alles hinausposaunt, ist simpel und lautet: die eigenen Schwächen zu Stärken machen. Niemand kann das besser als Lena Dunham, die mittlerweile nicht nur in den USA ein Superstar ist. Dabei hat Dunham sowohl für die HBO-Serie als auch für ihr Buch nichts anderes gemacht, als über ihr Leben zu schreiben.

In der Tat macht sie das unglaublich talentiert. Die Frau ohne Modelmaße hat sich dabei jede Menge Blößen gegeben. Lena hat, wie wir das nachlesen können, als Jugendliche unter schweren Zwangsneurosen gelitten und hat das wahrscheinlich mit Hannah in "Girls" ein Stück weit aufgearbeitet. Auch die Tatsache, dass ein Exfreund heute schwul ist. Woher sie den Mut nimmt, ihren Körper nackt auf der Leinwand zu zeigen, wird sie immer wieder gefragt. Dunham, die in "Girls", nennen wir es etwas geschmacksunsicher Hipstermode vorführt, ist smart genug, um zu wissen, dass die Frage eigentlich lautet, woher sie den Mut nimmt, ihren "unvollkommenen" Körper zu zeigen. In den USA hat vor allem das stark polarisiert.

Weil Dunham das höchst Persönliche zum Thema macht, für sie das Private politisch ist, ist sie zu einer frischen feministischen Stimme geworden, auch wenn ihr das von Kritikern und auch Kritikerinnen immer wieder abgesprochen wird: "Dass eine normale Frau ihren Körper auf einem Bildschirm zeigt, sollte heute eigentlich nicht mehr revolutionär sein", sagt sie, "aber das ist es!" Da hat sie leider recht.

Selten pathetisch, öfter nerdig, meist komisch

Das jüdische Mädchen aus Brooklyn, das mit ihrem Independent-Film "Tiny Furniture" von 2010 ganz offensichtlich die richtigen Leute beeindrucken konnte, wird seither immer wieder mit dem filmischen Übervater schlechthin verglichen und zum "Woody Allen ihrer Generation" erklärt. Aber in ihrem Essayband räumt die inzwischen sichtlich erwachsener gewordene Lena auch damit auf: "Mit den Jahren", schreibt sie witzig und altklug, "ist mein Glaube an viele Dinge ins Wanken geraten: die Ehe, das Leben nach dem Tod und Woody Allen."

Selten pathetisch, öfter einmal nerdig, meist komisch und mitunter gnadenlos intim beschreibt Dunham ihre "Metamorphose von der Elfe zum Gummibären", erinnert sich an Sommerferien, in denen sie masturbieren lernte, an (siehe "Girls") ernüchternde sexuelle Episoden, an Therapeutinnen, die endlich etwas von sich preisgeben, erzählt vom Tod ihrer Großmutter und der panischen Angst vor dem eigenen.

Sie schreibt jetzt schon über die Memoiren, die sie mit 80 verfassen wird, und die alten Säcke aus Hollywood, die darin furchtbar schlecht wegkommen werden. Und weil es im Untertitel zum Buch "Was ich im Leben so gelernt habe" heißt, versorgt sie uns mit klugen Sätzen ihrer Eltern und vielen komischen Listen, zum Beispiel über "13 Dinge, die man nicht zu seinen Freunden sagt" ("Du kommst in meinem Buch überhaupt nicht vor").

Ein neues, aufrichtigeres Frauenbild

Sie ist It-Girl und Außenseiterin, ein fauler Workaholic, dick und sexy, intellektuell und kindisch, höchst neurotisch und sehr selbstbewusst, egozentrisch, aber mitfühlend. Das, was wir an Lena Dunham und ihrem Alter Ego Hannah Horvath als widersprüchlich empfinden, ist ein neues, aufrichtigeres Frauenbild, abseits von alten Hollywood-Maßstäben.

Dunham war schon auf sämtlichen Hochglanzmagazin-Covern zu sehen. Im Internet finden sich unzählige Fotos von ihr. Eines zeigt sie auf einem echten, nicht auf die Serie bezogenen Girls-Weekend. Zu sehen sind zehn junge Mädchen, im Zentrum: Dunhams Freundin, die Pop-Sängerin Taylor Swift. Um sie herum: Schauspielerinnen, It-Girls etc. - links außen sitzt Dunham, die als Einzige grimmig schaut und ihren Mittelfinger in die Kamera streckt. Darunter stehen zwei Postings. Eine Frau schreibt: "Danke Lena für deine Inspiration, was du machst, ist wichtig!" Und ein Typ postet: "Das wäre ein hübsches Foto, wenn man die links außen wegretouchieren würde!"

Sie wäre eigentlich die Sorte Mädchen, die immer nur die Nebenrollen spielt. Lena Dunham aber hat sich selbst die Hauptrolle verpasst. In ihren Filmen und im Leben. (Mia Eidlhuber, DER STANDARD, 4.10.2014)