Den höchsten Zuschlag der Auktion bewilligte eine anonyme Saalbieterin: 7,91 Millionen Euro für Gerhard Richters "Wolken (Fenster)".

Foto: Christie’s

Man kann nur mutmaßen, was Karlheinz Essl empfand, als er wenige Stunden vor der Auktion durch die Schaustellung bei Christie's schlenderte, um sich zu verabschieden: von 44 Kunstwerken der Kategorie Filetstückchen, für die das Auktionshaus entsprechend der internationalen Verwertbarkeit bis zu 75 Millionen Euro in Aussicht gestellt hatte.

Für das Ehepaar Essl sind es 44 Ankäufe, die mit Momenten des Abwägens und manch Anekdote verknüpft sind. 44 Stationen einer Route, die quer durch die europäische und US-amerikanische Galerieszene und Auktionsbranche führte. Das nun in London versteigerte Ensemble umfasst einen Shopping-Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten: von 1987, als man Friedensreich Hundertwassers Temperarbeit Der siebente Bezirk (1966) in einer Wiener Galerie erwarb, die es längst nicht mehr gibt, und die einem Bieter 338.000 Euro (inkl. Aufgeld) wert war; bis zum Juli 2010, als man bei David Zwirner (London/New York) Neo Rauchs Bergfest ergatterte, das nun für rund 688.000 Euro den Besitzer wechselte.

Man kann nur erahnen, welche Histörchen Essl, der die Versteigerung im Saal verfolgte, analog zum Aufruf der Lose Revue passieren ließ. Bei 18 dieser Kunstwerke war er selbst der siegreiche Bieter in einer Auktion gewesen. Etwa 1997 bei Christie's in New York, als er für Sigmar Polkes Indianer mit Adler (1975) rund 177.000 Euro bewilligte. In die Wehmut dürfte sich nun auch Stolz gemischt haben: Innert weniger Minuten trieben Saal- und Telefonbieter den Wert bis zu 6,49 Millionen Euro. Damit holte sich das Gemälde Platz zwei im Ranking der zehn höchsten Zuschläge des Abends.

Der höchste war erwartungsgemäß für ein Gemälde Gerhard Richters erteilt worden. Allerdings nicht für jenes, das bis zu zehn Millionen Pfund hätte bringen sollen: Netz, das Essl vor 20 Jahren bei Sotheby's in London für 199.500 Pfund (netto) ersteigert hatte, scheiterte vorerst am Limit. Kurz nach der Auktion wurde es für netto rund sieben Millionen Euro verkauft; als Nachverkauf wird es dem offiziellen Umsatz jedoch nicht hinzugerechnet.

Wolken ziehen davon

Stattdessen führt Richters Wolken (Fenster) das Ranking an. 1997 hatte Essl das einst in der Sammlung Frieder Burdas beheimatete Gemälde für 552.500 Dollar bei Christie's in New York erworben, der aktuell von einer Saalbieterin bewilligte Preis lag bei 7,91 Millionen Euro (10,03 Mio. Dollar): also ein Bruchteil jenes Werts, der von manch österreichischem Kunstexperten für die vierteilige Arbeit prognostiziert worden war. Als bekannt wurde, dass die Gläubiger der verschuldeten Heimwerkerkette Zugriff auf die Sammlung Essl hatten, war ambitioniert von zumindest 20 wenn nicht 25 Millionen Euro die Rede gewesen.

Es sind übrigens jene Experten, die meinen, die Republik könne sich nachträglich in den Hintern beißen, die Sammlung Essl nicht in Bausch und Bogen erworben zu haben. Eine Milchmädchenkalkulation, nicht nur, weil eine Verwertung durch die öffentliche Hand schon von Rechts wegen kein Thema sein kann, sondern damit auch die Finanzierung des künftigen Museumsbetriebs übernommen hätte werden müssen. Also musste der Geschäftsmann Essl, dessen Unternehmen in ökonomische Turbulenzen geriet, eine andere Lösung finden. Im September gründete er gemeinsam mit Hans Peter Haselsteiner die SE-Sammlungs GmbH, die die 7000 Kunstwerke umfassende Kollektion für kolportierte 110 Millionen Euro aus den Fängen der 42 Gläubigerbanken auslöste.

Dem über einen Kredit finanzierten Deal stimmten die Gläubiger allerdings nur unter einer Bedingung zu: Sollte das von Christie's unabhängig vom Verlauf der Auktion garantierte Ergebnis über netto 50 Millionen (exkl. Aufgeld) liegen, müssten die Gläubiger von der Differenz profitieren. Es blieb bei der Theorie. In der Praxis summierten sich 39 bei der Auktion verzeichneten Besitzerwechsel auf 46,86 Millionen Pfund (59,42 Mio. Euro) - brutto, inklusive Käufergebühren und Mehrwertsteuer. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 15.10.2014)