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US-Präsident Barack Obama (rechts) hat den Rücktritt von Verteidigungsminister Chuck Hagel (links) bestätigt.

Foto: REUTERS/Larry Downing

Washington – Es ist zwar nicht der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel, aber doch eine milde Überraschung. Noch vor zwei Wochen hatte Chuck Hagel einen Sprecher erklären lassen, dass er gedenke, weitere zwei Jahre im Amt zu bleiben. Am Montag stand er im prunkvollen State Dining Room des Weißen Hauses und hörte sich Lobeshymnen eines Präsidenten an, der soeben seinen Rücktritt verfügt hatte. Hagel sei ein alter Freund, zudem ein Republikaner, der die Interessen des Landes über jene der Partei stelle. "Wir lassen Sie nur ungern ziehen", sagte Barack Obama zum Abgang seines Verteidigungsministers.

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Nach der offiziellen Darstellung soll Hagel bereits im Oktober, kurz vor der Kongresswahl, in vertraulichen Gesprächen von sich aus angeboten haben zu gehen. Nach der inoffiziellen Version, gestreut von der "New York Times", war es eher umgekehrt: Demnach wurde der Ex-Senator aus Nebraska zum Abschied gedrängt; demnach gilt er nicht mehr als der richtige Mann, um den im Sommer eingeleiteten Kurswechsel in Nahost zu begleiten. Andere gelten als geeigneter, etwa Michèle Flournoy, Ex-Vizeministerin im Pentagon, oder der demokratische Senator Jack Reed – potenzielle Nachfolger.

Als Skeptiker geholt

Als Hagel vor 22 Monaten sein Amt antrat, holte ihn Obama als einen Skeptiker, der seit einer schweren Verletzung in Vietnam genau wusste, was Krieg bedeutete: Er war das personifizierte Kontrastprogramm zu den Schreibtischkriegern der Ära George W. Bushs.

Der ergraute Veteran passte zu Obamas neuer Bescheidenheit. Er sollte den Abzug der GIs aus Afghanistan abwickeln, und er sollte intelligent sparen in Zeiten knapper Finanzen. Nun aber, da Obama nach langem Zögern im Ringen mit dem "Islamischen Staat" (IS) die Offensive sucht, scheint der ausgesprochen vorsichtige Stratege eher zu stören.

Die zwei Jahre, die dem Präsidenten noch bleiben, erforderten "einen anderen Fokus, andere Qualitäten" im Pentagon, zitiert die "New York Times" anonym einen hohen Beamten. Insbesondere mit den Luftangriffen in Syrien, heißt es, sehe Hagel den Rubikon überschritten, sehe er die Gefahr, dass sich die USA auf Jahre hinaus im Konfliktknäuel eines Bürgerkriegs verheddern.

Ironie der Kongresswahl

Andererseits entbehrt die Geschichte nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet der einzige Republikaner im Kabinett muss mit seinem Posten bezahlen für die schwere Niederlage, wie sie die Demokraten beim Kongressvotum am 4. November erlitten. Seit der demütigenden Schlappe orakelt die Gerüchtebörse von einer Kabinettsumbildung mit Signalwirkung. Ein offenes Geheimnis ist, dass Hagel nicht zurechtkam mit einer Kultur des Regierens, bei der das Küchenkabinett des Weißen Hauses komplett das Sagen hat und Minister nicht viel mehr sind als Erfüllungsgehilfen beziehungsweise Aushängeschilder.

In puncto Außen- und Verteidigungspolitik wird der kleine Kreis angeführt von Susan Rice, der Sicherheitsberaterin, der Obama so uneingeschränkt vertraut wie nur wenigen. Hagel, so Insider, sei bei internen Diskussionsrunden nur selten zu Wort gekommen, und mit seiner lakonischen, bisweilen mürrisch wirkenden Art habe er sich selbst zunehmend ins Abseits gestellt. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 24.11.2014)