Screenshot: The Collected Papers of Albert Einstein

Princeton/Wien – Für das Magazin "Time" war er auf einer Ende 1999 veröffentlichten Rangliste noch vor allen mächtigen Politikern und Staatsmännern die wichtigste Person des 20. Jahrhunderts. Entsprechend zierte Albert Einstein auch das letzte Cover der einflussreichen US-Zeitschrift, ehe die Jahreszahl von 1999 auf 2000 umsprang.

Albert Einstein ist auch noch 2014 der wahrscheinlich bekannteste Wissenschafter weltweit. Zeit seines Lebens war er (nach der heutigen Terminologie) ein Popstar, der bereits mit 26 Jahren – seinem Annus mirabilis 1905, in dem ihm gleich mehrere bahnbrechende Arbeiten (wie etwa die spezielle Relativitätstheorie) gelangen – die Vorstellungen von der physikalischen Welt revolutionierte.

1933 musste Einstein aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seiner linken politischen Ansichten Deutschland verlassen und emigrierte nach Princeton, wo er 1955 starb. 59 nach seinem Tod stellt nun die University of Princeton Press den ersten Teil der gesammelten Werke Einsteins online. Konkret handelt es sich um die ersten elf bis 1923 reichenden Bände seiner Collected Writings, an denen seit rund 25 Jahren quelleneditorisch gearbeitet wird.

Unter einsteinpapers.press.princeton.edu sind damit 5000 Texte und Dokumente bis einschließlich der Vergabe des Nobelpreises in Physik und seine lange Reise in den Fernen Osten zugänglich. Die Sammlung umfasst sämtliche wissenschaftlichen Schriften und Briefe Einsteins, aber auch seine nichtwissenschaftlichen Texte, Familienbriefe, Notizbücher, Vorträge und Reisetagebücher. In den nächsten Monaten und Jahren soll die Sammlung etwas zeitverzögert zur Herausgabe der gedruckten Gesammelten Schriften komplettiert werde.

Einige bereits abrufbare Höhepunkte der "Digital Einstein Papers" sind unter anderem ein Aufsatz, den der 17-Jähige für den Französisch-Unterricht verfasste, ein Brief des 22-Jährigen an seine künftige Frau Mileva Maric (dass er sich um seine Tochter kümmern werde) sein erstes Job-Angebot vom Schweizer Patentamt, seine erste Formulierung der Lichtquantenhypothese (wofür er den Nobelpreis erhielt), oder das Telegramm, das ihn über den Gewinn des Nobelpreises informierte.

Die Texte liegen in der Originalsprache, vor allem aber auf Englisch vor und sind auch nach Stichworten durchsuchbar. Wer beispielsweise "Vienna" in die Suchmaske der online-Ausgabe Einsteins eintippt, erhält nicht weniger als 526 Treffer – zu Einsteins viel umjubelten Vorträgen in Wien 1921 ebenso wie zu seiner Verteidigung von Friedrich Adlers, der ein Studienkollege Einsteins in Zürich gewesen war: Nachdem der Sohn des sozialdemokratischen Parteiführers Victor Adler im Oktober 1916 Ministerpräsidenten Graf Stürgkh ermordet hatte, um mit diesem Mord einen Beitrag zum Ende des Kriegs zu leisten (so die Intention Adlers), organisierte Einstein ein Gnadengesuch für den zum Tode verurteilten Physiker, der tatsächlich der Exekution entging.

1952 sollte Einstein dann schreiben: "Dass die Österreicher Friedrich Adler nach dem Stürgkh-Mord nicht umgebracht haben, gereicht ihnen zur unvergänglichen Ehre." Dieser Text fehlt freilich noch in der Online-Edition. (tasch, derStandard.at, 5.12.2014)

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=> "Ich habe keine besondere Begabung"
Ein semi-fiktives Interview mit Albert Einstein, zusammengestellt ausschließlich aus Originalzitaten des großen Physikers

"Ich habe keine besondere Begabung"

Ein semi-fiktives Interview mit Albert Einstein, zusammengestellt ausschließlich aus Originalzitaten des großen Physikers:

Haben Sie eine Erklärung, warum die Menschen von Ihnen so fasziniert sind?

Einstein: Ich bin sicher, dass es das Mysterium des Nichtverstehens ist, was sie anzieht. Es beeindruckt sie, es hat die Farbe und die Anziehungskraft des Mysteriösen. Dies ist nun gerade mein Schicksal geworden, und es besteht ein grotesker Gegensatz zwischen dem, was mir Menschen an Fähigkeit und Leistung zuschreiben, und dem, was ich wirklich bin und vermag. Die Sache erinnert an das Märchen "Des Kaisers neue Kleider", aber es ist eine harmlose Narretei. Mit mir hat man einen Kultus betrieben, dass ich mir vorkomme wie ein Götzenbild.

Oder wie eine Popikone, wie man heute dazu sagt. Macht Sie das nicht auch stolz?

Einstein: Ich habe mich eigentlich niemals aus Eitelkeit im Spiegel beguckt. Jetzt, wo Sie mir den Spiegel vorhalten, frage ich mich, weshalb bin ich denn so berühmt? Verdiene ich das? Ich glaube nicht. Ich habe mein Leben lang probiert, einen Gedanken zu Ende zu denken. Das ist mir nicht ein einziges Mal gelungen. Was ich versucht habe, hätte doch jeder andere gekonnt.

Ihre Bescheidenheit in Ehren, aber können Sie konkrete Namen nennen?

Einstein: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Ernst Mach auf die Relativitätstheorie gekommen wäre, wenn in der Zeit, als er jugendfrischen Geistes war, die Frage nach der Bedeutung der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit schon die Physiker bewegt hätte.

Hat sie aber nicht. Also kamen Sie, ein 26-jähriger Patentbeamter III. Klasse in Bern, darauf. Wie erklären Sie sich das?

Einstein: Wenn ich mich frage, woher es kommt, dass gerade ich die Relativitätstheorie gefunden habe, so scheint es an folgendem Umstand zu liegen: Der normale Erwachsene denkt nicht über die Raum-Zeit-Probleme nach. Alles, was darüber nachzudenken ist, hat er nach seiner Meinung bereits in der frühen Kindheit getan. Ich dagegen habe mich derart langsam entwickelt, dass ich erst anfing, mich über Raum und Zeit zu wundern, als ich bereits erwachsen war. Naturgemäß bin ich dann tiefer in die Problematik eingedrungen als ein gewöhnliches Kind.

Nach dem Wunderjahr begannen Sie bereits 1907 an der Arbeit zur allgemeinen Relativitätstheorie, die 1916 fertig wurde. Können Sie sich erinnern, wie Sie den entscheidenden Einfall dazu hatten?

Einstein: Ich saß im Berner Patentamt in einem Sessel, als mir plötzlich der Gedanke kam: Wenn sich ein Mensch im freien Fall befindet, wird er seine eigene Schwere nicht empfinden können. Mir ging ein Licht auf. Dieser einfache Gedanke beeindruckte mich nachhaltig. Die Begeisterung, die ich da empfand, trieb mich zur Gravitationstheorie.

Gibt es eigentlich ein Geheimnis für Ihre einzigartige Kreativität?

Einstein: Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig. Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. Es genügt, wenn man versucht, an jedem Tag lediglich ein wenig von diesem Geheimnis zu erfassen. Diese heilige Neugier soll man nie verlieren.

Auf Ihr Äußeres scheinen Sie dagegen nicht allzu viel Wert zu legen.

Einstein: Wenn ich anfinge, mich körperlich zu pflegen, dann bin ich nicht mehr ich selber. Es wäre traurig, wenn die Tüte wertvoller wäre als das darin verpackte Fleisch.

Eine Ihrer schrulligeren Angewohnheiten ist es, keine Socken zu tragen. Warum eigentlich?

Einstein: Als ich jung war, fand ich heraus, dass die große Zehe immer die Angewohnheit hat, ein Loch in die Socke zu machen. Und so habe ich aufgehört, Socken zu tragen.

Angeblich hatten Sie auch keine Socken an, als Sie von Präsident Roosevelt ins Weiße Haus eingeladen wurden. Stimmt das?

Einstein: Ich habe ein Alter erreicht, in dem ich dann, wenn mir jemand sagt, ich solle Socken tragen, das nicht tun muss.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihr Leben, was reut Sie am meisten?

Einstein: Ich habe in meinem Leben einen großen Fehler gemacht - als ich den Brief an Präsident Roosevelt unterzeichnete, in dem ich mich für den Bau der Atombombe aussprach. Aber vielleicht kann man mir verzeihen, weil wir alle das Gefühl hatten, dass die Deutschen an diesem Problem arbeiten und Erfolg haben könnten.

Wenn Sie Ihr Leben noch einmal von vorn beginnen könnten, würden Sie alles noch einmal so machen, wie Sie es gemacht haben?

Einstein: Wäre ich noch einmal ein junger Mensch und stünde ich erneut vor der Entscheidung über den besten Weg, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, so würde ich nicht ein Wissenschaftler, Gelehrter oder Pädagoge, sondern eher ein Klempner oder Hausierer sein wollen, in der Hoffnung, mir damit jenes bescheidene Maß an Unabhängigkeit zu sichern, das unter heutigen Verhältnissen noch erreichbar ist. (tasch)