Bild nicht mehr verfügbar.

Ejakulieren Frauen Urin? Die Aufnahme einer jungen Frau, die sich in einem Moskauer Brunnen abkühlt, muss als Symbolbild für diese Frage herhalten.

Foto: Reuters/SERGEI KARPUKHIN

Le Chesnay - Es ist ein Rätsel, warum die weibliche Ejakulation beim Orgasmus im Gegensatz zur männlichen nach wie vor tabubehaftet ist. Wenn es auch keine gesicherten Angaben gibt, gehen manche Studien davon aus, dass mehr als die Hälfte aller sexuell aktiven Frauen im Laufe ihres Lebens Ejakulationen erlebt, viele davon regelmäßig.

Noch rätselhafter ist, dass Zusammensetzung, Ursprung und Funktion des Sekrets wissenschaftlich nach wie vor nicht vollständig geklärt sind. Dabei tauchen erste Berichte "von einer flüssigen Absonderung beim weiblichen Orgasmus, die jedoch keinen Samen enthält", schon bei Aristoteles auf. Ab dem 17. Jahrhundert wird die weibliche Ejakulation immer wieder in der medizinischen Literatur erwähnt, und höchst unterschiedlich interpretiert.

Kontroverse Studien

Mit der Entdeckung des G-Punktes durch den deutschen Arzt Ernst Gräfenberg 1950 setzten auch vermehrt wissenschaftliche Studien zum weiblichen Orgasmus und damit auch der Ejakulation ein. Über deren Ergebnisse wird seither kontrovers diskutiert: So wird das Ejakulat, das aus mehreren Ausgängen in und um die Endabschnitte der Harnröhre abgesondert wird, von manchen als Mischung aus Urin und Sekreten aus der sogenannten Paraurethraldrüse interpretiert. Andere Forscher vermuten die Quelle wiederum ausschließlich im Drüsengewebe, das die Harnröhre umschließt und Ähnlichkeiten mit der männlichen Prostata aufweist.

Französische Forscher um den Gynäkologen Samuel Salama wollen die Antwort nun gefunden haben: In einer Studie im Fachblatt "Journal of Sexual Medicine" untersuchten sie sieben Frauen, die nach eigenen Angaben bei sexueller Erregung häufig und in großen Mengen ejakulieren. Die Probandinnen sollten sich in den Experimenten entweder selbst oder mithilfe eines Partners sexuell stimulieren. Im Unterschied zu vorangegangenen Studien unterzogen die Wissenschafter aber nicht nur das abgesonderte Ejakulat biochemischen Analysen, sondern überwachten während der Tests auch die Harnblasen der Teilnehmerinnen per Ultraschall.

Anteil anderer Sekrete "marginal"

Dabei machten sie eine erstaunliche Entdeckung: Hatten die Probandinnen vor der sexuellen Stimulation eine leere Blase, füllte sie sich während der sexuellen Erregung wieder. Nach der Ejakulation war sie aber erneut leer. Diese Beobachtung deute ebenso wie die Analyse der Flüssigkeit darauf hin, dass es sich um die unwillkürliche Absonderung von Urin handle, so die Forscher. Es sei lediglich ein marginaler Anteil anderer Sekrete im Ejakulat feststellbar gewesen, die vermutlich aus der Paraurethraldrüse stammen würden und mit der vaginalen Nässe bei starker sexueller Erregung vergleichbar seien.

Besonders bei starker Ejakulation handelt es sich Salama und Kollegen zufolge also fast ausschließlich um Urin. Solange aber die genauen Vorgänge nicht anatomisch und physiologisch vollständig geklärt sind, ist ein Ende der Kontroverse nicht in Sicht. Die französischen Forscher wollen den Versuch auf jeden Fall mit einer größeren Versuchsgruppe wiederholen. (dare, derStandard.at, 13.1.2015)