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MVP der Super Bowl: Tom Brady.

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Sein Name: Malcolm Butler (links).

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Ihr Name: Katy Perry (Mitte).

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Abholen.

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Der Alptraum schien sich zu wiederholen. Wie schon 2008 und 2012 hatten die New England Patriots Minuten vor Schluss die Führung und alle Trümpfe in der Hand. Wie schon 2008 und 2012 folgte ein schneller Drive des Gegners mitsamt eines schier unglaublichen Catch – diesmal jonglierte Jermaine Kearse den Ball am Rücken liegend per Fuß in seine Hände.

Als die Seattle Seahawks 26 Sekunden vor Schluss an der 1-Yard-Line waren, hielt das University of Phoenix Stadium geschlossen die Luft an. Was tun mit dem folgenden Spielzug? Mit Marshawn Lynch im Kader scheinbar keine Frage – der Panzer auf Beinen lebt für derartige Situationen. Statt das Ei dem Running Back in die Hand zu drücken, entschied sich Head Coach Pete Carroll für einen Pass. Ein folgenschwerer Fehler. Rookie-Cornerback Malcolm Butler mutierte für zwei Sekunden zum Abfangjäger und schnappte sich mit bemerkenswerter Abgebrühtheit den Ball. Der eigentlich anvisierte Ricardo Lockette war nur zweiter Sieger - Spiel, Satz, Sieg Patriots.

Die Frage

"Es hat niemand außer mir die Schuld", war Carroll in der Kabine kompromisslos ehrlich. Von einem Reporter gefragt, ob ihn der Playcall überraschte, bewies der sonst so schweigsame Lynch Sinn für Diplomatie: "Nein. Wir spielen Football, das ist ein Teamsport."

Der Held des Abends war ein ungewöhnlicher. Malcolm Butler, der mit 19 von der Schule flog und danach bei der Fast-Food-Kette Popeye’s arbeitete. Der junge Mann, den im vergangenen Draft niemand wollte. Erst über das Training Camp fand er seinen Platz im Kader der nun gekrönten Champions. "Ich habe so hart gearbeitet und wollte einfach nur spielen und meinem Team helfen", blieb der Matchwinner nach dem Spiel bescheiden.

Eingesprungen

Für das Vermächtnis von Quarterback Tom Brady war Butlers Geniestreich von unschätzbarem Wert. Der Routinier erlaubte sich zwei kapitale Fehler, führte sein Team im Schlussviertel aber von einem Zehn-Punkte-Rückstand zurück. Dabei kippte er nebenbei Rekord um Rekord, so sind seine 37 angebrachten Pässe ebenso historischer Bestwert wie 13 Touchdowns in Super Bowls, gegen die gefürchtete Seahawks-Defense kamen vier dazu. Der letzte davon erst 2:02 Minuten vor Schluss auf Julian Edelman, der nach einem harten Hit von Kam Chancellor mit Anzeichen einer Gehirnerschütterungs über den Platz stolperte. Als Belohnung darf Brady in seinen MVP-Trophäenschrank neben die angestaubten Ausgaben von 2002 und 2004 einen frisch gegossenen Nachzügler stellen.

"Eine Menge Leute haben tolle Plays gemacht. Es ist nie nur ein Spieler, es hat das ganze Team gebraucht", gab der Mann des Spiels dennoch ganz den Teamplayer. Für offensiven Raumgewinn war das Passspiel beinahe alleinverantwortlich, nur ein einziges First Down kam auf patriotischem Fußweg zustande. 57 Rushing Yards der Sieger standen deren 162 von Seattle gegenüber.

Es knallt

Bei den zuvor so selbstbewussten Seahawks war die Frustration offensichtlich. Beim sportlich wertlosen pro-forma-Abknien des Balles kam es im Finish noch zu einigen Handgreiflichkeiten, Bruce Irvin verschob seinen Feierabend via Schlag gegen Rob Gronkowski um einige Sekunden nach vorne. "Gronk" blieb das Ausschluss-Schicksal trotz eines ähnlichen Vergehens erspart.

Fast Cindarella

Für einen Seahawk war die Niederlage besonders bitter. Chris Matthews‘ Cinderella-Story war auf vielen der auf der Pressetribüne stehenden Laptops schon fertig geschrieben. Als im Sommer 2014 das Telefon des Wide Receivers läutet, hat er gerade zwei Jobs: Er arbeitet bei Foot Locker und als Wachmann. Football Fehlanzeige. Auf die Einladung zum Tryout bei den Seahawks antwortet er mit "Ich arbeite bis neun Uhr abends. Weiß nicht, ob sich das ausgeht." Nach Intervention seines Agenten fliegt er nach Seattle und schafft es als siebter Receiver in den Kader, kommt aber erst durch Abschiede und Verletzungen von Mitspielern zu Spielminuten.

Vor dem 1. Februar 2015 fängt er keinen einzigen Pass in der NFL, in der Super Bowl selbst gleich vier, darunter ein Touchdown. Der Grund des plötzlichen Erfolgs ist physiologischer Natur: Der 1,80 m große Patriots-Cornerback Kyle Arrington kann den Größenvorteil des 1,95-Hünen Matthews nicht wettmachen. Das veranlasst Bill Belichick und Co. mitten im Spiel zu einem ungeplanten Personalwechsel, statt Arrington kommt ein völlig unbekannter Rookie ins Spiel. Sein Name? Malcolm Butler. (Martin Schauhuber, derStandard.at, 2.2.2015)