Die Farbe Rosa hat in feministischen Kreisen ein Imageproblem. Für immer mehr junge Frauen ist sie aber ein Zeichen der Stärke - sie formieren sich in Künstlerkollektiven und auf Webseiten - wir haben einige von ihnen in London fotografiert

Als die Spice Girls ihre größten Erfolge feierten, waren sie gerade einmal im Kindergarten. Die in den frühen 1990er-Jahren geborenen Protagonistinnen unserer Fotostrecke waren damals eine der Hauptzielgruppen der britischen Girlgroup. Heute sind sie selbst Musikerinnen, Fotografinnen, bildende Künstlerinnen oder Models und verkörpern ein neues Auftreten im Feminismus. Sie stehen auf Plüschoutfits und Achselbehaarung, ihre Schaufenster sind die Social-Media-Kanäle Instagram und Tumblr, ihre Fotos meistens Selfies. Und ihre Lieblingsfarbe ist Rosa.

Ja, Rosa! Die Farbe hatte in feministischen Kreisen lange ein Imageproblem. Für immer mehr junge Frauen ist sie aber ein Zeichen von Stärke geworden. Sie formieren sich in All-Girl-Kunstkollektiven und rosarot unterlegten Webseiten, treffen sich teilweise nur online und geben sich hyperfeminine Namen wie Bunny Collective oder Peachy n Keen. Es sei momentan "einfach cool, auf Instagram 'Fuck yeah, ich bin Feministin' zu sagen", konstatieren etwa die Gründerinnen der Website Peachy n Keen.

Für das Postergirl der Bewegung, Arvida Byström, ist Rosa gleichzeitig eine politische und eine ungemein "herzige" Farbe. Sich hyperweiblich zu geben und gleichzeitig Feministin zu sein, ist für sie und ihre Freundinnen kein Problem. Nur mit dem Begriff "Lippenstift-Feministin" können die meisten von ihnen recht wenig anfangen, wie sie am Rande unseres Fotoshootings in London erzählen. (Text & Fotos: Britta Burger, Styling: Maria Pizzeria, Rondo, DER STANDARD, 6.2.2015)

Ab 10. Februar zeigt das österreichische Kulturforum in London eine Fotoausstellung unserer Fotografin und Autorin Britta Burger.

Arvida Byström
Fotografin, Künstlerin, Model

---

STANDARD: Was bedeutet für Sie die Farbe Rosa?

Byström: Sie ist eines der wichtigsten eindeutig weiblich konnotierten Ausdrucksmittel - und eine der wenigen Farben, zu der viele Leute eine klare Meinung haben. Eine politische Farbe! Mich interessiert, welchen Effekt Rosa hat, wenn ich die Farbe in meiner künstlerischen Arbeit einsetze.

STANDARD: Passen Mode und Feminismus zusammen?

Byström: Wenn mit Mode Kleidungsstücke gemeint sind, dann ja. Die Modeindustrie lässt sich mit Feminismus aber überhaupt nicht vereinbaren. Sie gründet auf dem kapitalistischen System, und dieses ist von Grund auf patriarchal strukturiert.

STANDARD: Was halten Sie vom Ausdruck "Lippenstift-Feministin"?

Byström: Natürlich kann man Lippenstift mögen und auch Feministin sein! Ich hab aber das Gefühl, das ist abwertend gemeint.

---

Arvida Byström (23) stammt aus Schweden und lebt in London. Ihr Instagram-Account (arvidabystrom) hat mehr als 40.000 Abonnenten.

arvidabystrom.se

Arvida trägt: Ohrringe von Christian Cowan-Sanluis, Top von Lucilla Gray, Bustier Saccaharine Shrine von The Lazy Ones.

Foto: Britta Burger

Ayesha Tan-Jones
Künstlerin, Musikerin, Model

---

STANDARD: Welche Rolle spielt in Ihrer Kunst und Musik das Spiel mit Geschlechterrollen?

Tan-Jones: Nachdem ich fast immer als einzige weibliche Musikerin im Line-up bin, nehmen mich die anderen Bands oft nicht ernst und fragen, ob ich Hilfe brauche. Ich habe ja auch kein Problem, meine Instrumente zum Veranstaltungsort zu schaffen, warum sollte ich also Hilfe brauchen, sie auf die Bühne zu bringen? Und außerdem mache ich bessere Musik als die anderen Bands!

STANDARD: Lassen sich Mode und Feminismus vereinbaren?

Tan-Jones: Ich habe nichts gegen Mode oder Modefotografie. Aber wenn es nur darum geht, mit unfairen Methoden unnötige Sachen zu verkaufen, habe ich ein Problem. Für meine nächste Gruppenausstellung habe ich eine Beauty-Firma erfunden, völlig unsinnige Beauty-Produkte erzeugt und Werbefilme gedreht, in denen ich eine esoterische, feminine Bildsprache verwende.

---

Ayesha Tan-Jones (21) ist Mitglied des Kunstkollektivs Bunny Collective, Model bei der alternativen Londoner Agentur Anti Agency und Musikerin in ihrer Solo-Band Brownie Promise.

ayeshatanjones.com

Ayesha trägt: Top von Samsoe & Samsoe, Rock von Homo Consommatus, eine GoldenLane-Tasche und ein selbstbemaltes Skateboard.

Foto: Britta Burger

Liv Thurley
Künstlerin

---

STANDARD: Was halten Sie von der feministischen Neudefinition von Rosa?

Thurley: Ich habe gerade ein Buch, "Pinkd", herausgegeben, in dem es um Rosarot in der Gegenwartskunst geht. Rosa signalisiert vermehrt nicht nur Weiblichkeit, sondern auch Stärke.

STANDARD: Würden Sie sich als Lippenstift-Feministin bezeichnen?

Thurley: Könnte man schon so sagen. Übrigens wurde Lippenstift im Mittelalter mit Hexerei und Macht über Männer assoziiert. Frauen konnten deshalb auf dem Scheiterhaufen landen.

STANDARD: Was möchten Sie mit Ihrer Kunst erreichen?

Thurley: Ich stelle Fragen. In meiner neuesten Arbeit geht es um eine einzige Ausgabe einer Boulevardzeitung, in der 116 Brüste abgebildet waren, also 58 Frauen, die oben ohne gezeigt wurden. Ich habe mich gefragt, warum das heute noch immer eine Normalität ist.

---

Die Londoner Künstlerin Liv Thurley (22) studiert Bildhauerei in Brighton und ist Mitglied mehrerer Kunstkollektive. 2014 gab sie das Buch "Pinkd" heraus.

livthurley.com

Liv trägt: Jacke von Shrimps, Spitzentop von Ganni, Rock von Nordic Poetry.

Foto: Britta Burger

Rhiannon Adams
Fotografin, Redakteurin

---

STANDARD: Ihre Website Peachy n Keen ist rosa unterlegt. Warum?

Adams: Es geht darum, Rosa neu zu besetzen. Es ist in Ordnung, Rosa zu mögen und Girlie zu sein. Das ist nicht unfeministisch. Genauso wie es okay ist, Rosa nicht zu mögen.

STANDARD: Sind Sie eine Lippenstift-Feministin?

Adams: Ich mag diese Schubladisierung überhaupt nicht. Warum braucht man einen speziellen Terminus für Feministinnen, die Rosa mögen oder Rüschen, oder die hübsch aussehen wollen? Weil man sie nicht als Feministinnen sieht? Kategorien spielen Leute gegeneinander aus und müssen abgeschafft werden. Feminismus ist für alle da.

STANDARD: Feminismus wurde letztes Jahr zu einem richtigen Trend.

Adams: Es war ein gutes Jahr für den Mainstream-Feminismus; ich habe kein Problem damit, wenn sich Beyoncé oder Emma Watson als Feministinnen bezeichnen. Oft wird das jetzt als Modeerscheinung abgetan, aber es kann doch nur gut sein, wenn dadurch ein paar Leute mehr Feminismus cool finden.

---

Rhiannon Adams (21) studiert Anthropologie in London und ist Mitbegründerin der All-Girl-Webplattform Peachy n Keen.

peachynkeen.com

Rhiannon trägt: Jacke von Ganni, Hose von Somewhere Nowhere, Schuhe von Cassandra Verity Green.

Foto: Britta Burger

Sasha Cresdee
Künstlerin

---

STANDARD: Ist Rosa die neue feministische Trendfarbe?

Cresdee: Ich bin für die Rückeroberung von Rosa, mag aber auch Blau. In meiner Kunst verwende ich oft Farben, die mit Geschlechtern konnotiert sind, das interessiert mich sowohl ästhetisch als auch inhaltlich.

STANDARD: Gehören Sie einer feministischen Gruppierung an?

Cresdee: Ich gehöre nicht zur Blumengirlandenbrigade, die sich hyper-mädchenhaft gibt. Ich finde diesen weißgewaschenen Feminismus problematisch. Make-up trug ich lange überhaupt nicht, aber jetzt sehe ich das nicht mehr so eng. Mode interessiert mich nicht besonders, ich gebe selten mehr als zehn Pfund für ein Kleidungsstück aus. Die Modeindustrie hat schon ihre Schattenseiten, speziell was die Repräsentation von Körpern betrifft.

---

Die Südengländerin Sasha Cresdee (20) studiert Kunst und ist Mitglied der Kunstkollektive The Coven und Bunny Collective. Sie mischt traditionelle Handarbeit mit abstrakter Kunst.

sashacresdee.co.nr

Sasha trägt: Jacke von Clio Peppiatt, Top von Second Female. (Rondo, DER STANDARD, 6.2.2015)

Foto: Britta Burger