LSD als Medikament - ein Schweizer Psychiater will LSD rehabilitieren.

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Es waren andere Zeiten. Nach der Entdeckung der psychoaktiven Wirkung von Lysergsäurediethylamid (LSD) durch den Schweizer Chemiker Albert Hofmann im Jahr 1943 experimentierten Forscher in den Fünfzigern und Sechzigern mit der synthetischen Droge.

Weit verbreitet

Man testete ihre Wirkung bei der Behandlung von Alkoholismus und anderen psychischen Störungen. Auch Krebspatienten bekamen LSD zur Linderung ihrer Angstzustände. Die Ergebnisse waren zum Teil überaus ermutigend. Einige Wissenschafter wie der US-Pharmakologe Carl Pfeiffer führten zudem Selbstversuche durch. Pfeiffer schluckte das Mittel sogar in Anwesenheit von Publikum, um die Wirkung vorzuführen.

Doch ab 1966 war damit Schluss. LSD wurde in den USA verboten, die europäischen Länder folgten. "Es war eine Reaktion auf die Hippie-Bewegung", meint der Psychiater Peter Gasser, "eine gesellschaftspolitische Entscheidung." Für die Linken hatte LSD eine Art Kultstatus. Der in diesen Kreisen weit verbreitete Konsum der Droge wurde auch von Erfinder Albert Hofmann kritisiert.

Die Verbote hatten noch eine Auswirkung: Auch die Erforschung von LSD kam zum Erliegen. Heute ist die Substanz in die restriktivste Kategorie der Betäubungsmittelgesetze eingestuft. Im Gegensatz zum suchtgefährdenden Morphium darf LSD von keinem Arzt eingesetzt werden. "Es gibt keine objektiven und wissenschaftlichen Kriterien, die das rechtfertigen", betont Gasser. Ihm ist es aber gelungen, eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen.

Wirksamkeit getestet

Gasser arbeitet als praktizierender Psychiater in Solothurn in der Schweiz. Zusammen mit Kollegen hat er eine einzigartige Pilotstudie durchgeführt. Man testete die Sicherheit und Wirksamkeit von LSD zur Unterstützung der psychotherapeutischen Behandlung von Menschen mit einer lebensbedrohenden Krankheit wie metastasierendem Krebs.

Die Untersuchung wurde nach modernen Standards an elf Patienten durchgeführt. Acht von ihnen bekamen in zwei Sitzungen jeweils 200 Mikrogramm LSD verabreicht. Die restlichen drei dienten zunächst als Kontrollgruppe. Sie erhielten nur 20 Mikrogramm der Droge - ein sogenanntes aktives Placebo mit sehr geringer Wirkung.

Zwischen der ersten und zweiten LSD-Behandlung vergingen vier bis sechs Wochen. Während dieser Zeit, sowie davor und danach, durchliefen die Patienten reguläre psychotherapeutische Sitzungen ohne LSD. Die Kontrollgruppe wurde später auch zweimal mit einer 200-Mikrogramm-Dosis behandelt. So ließ sich die Datenlage verbessern, und die drei Teilnehmer bekamen aus ethischen Gründen auch eine LSD-gestützte Therapie.

Nicht immer angenehm

Die ersten Ergebnisse der Studie erschienen im vergangenen Sommer im Fachblatt "Journal of Nervous and Mental Disease". Bei Verabreichung von 200 Mikrogramm gerieten die Testpersonen stark unter Einfluss der Droge. Die ersten Erfahrungen waren nicht immer angenehm. Einige Patienten berichteten von Agonie und schmerzhaften Emotionen. Doch diese waren vorübergehend.

Spätestens während der zweiten LSD-Behandlung setzten bessere Gefühle ein. Entspannung und innere Harmonie breiteten sich aus. Zwei Monate nach der Behandlung wurde das Wohlbefinden der Studienteilnehmer anhand standardisierter Fragenlisten ermittelt. Diejenigen, die bis dahin die höheren Dosen bekommen hatten, litten deutlich weniger unter Ängsten als vor der Behandlung. Derselbe Effekt zeigte sich nach Dosiserhöhung auch bei den anderen Beteiligten. Es gab keine dauerhaft negativen Auswirkungen. Rückfälle ("Flashbacks") oder sonstige Störungen blieben aus.

Der positive Einfluss der LSD-gestützten Psychotherapie hält offenbar auch über einen längeren Zeitraum an. Gasser und sein Team befragten zehn Studienteilnehmer ein Jahr später nach ihrem Gemütszustand. Die Patienten zeigten noch immer eine starke Verringerung ihrer Ängste. Auch ihre Angstanfälligkeit war deutlich niedriger als zu Beginn der Studie. Sie hatten an Gelassenheit gewonnen, trotz der Krankheit. Eine detaillierte Auswertung der Studie wurde kürzlich im "Journal of Psychopharmacology" veröffentlicht.

Gelassenheit trotz Krankheit

Über welche physiologischen Mechanismen LSD in Gehirnfunktionen eingreift, ist noch nicht ausreichend geklärt. Biochemisch gesehen ist das Präparat eine künstlich modifizierte Form eines Pilzgiftes. Es dockt an bestimmte Rezeptoren von Hirnzellen an und scheint so das Filtern von Signalen zu beeinflussen. Impulse könnten sich dann ungebremst ausbreiten.

Die Folge: Der mit LSD behandelte Patient durchläuft einen radikalen psychischen Perspektivwechsel. Emotionale Muster werden verändert, erklärt Gasser. Man bekomme einen anderen Zugang zu seinen Gefühlen und sei dadurch in der Lage, die eigene Situation angstfreier zu betrachten.

Das hat essenzielle Auswirkungen. Eine der Testpersonen berichtete über ein neues Gefühl der Verbundenheit, das sie gegenüber der gesamten lebendigen Welt empfand. "Du denkst weniger über dich selbst nach, du denkst über Grenzen hinweg." Die Angst vor einer existenziellen Bedrohung wird dadurch enorm gelindert. Gasser glaubt, dass die klinische Erforschung von LSD als psychotherapeutisches Medikament vor einem Neuanfang stehen könnte. "Diese Studie ist ein Türöffner." Hoffentlich sieht es der Gesetzgeber auch so. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 6.2.2015)