Die österreichische Videospielbranche ist zahlenmäßig beachtlich, aber kleinteilig. Große Studios, die eigenständig Vollpreistitel für Konsolen- oder PC-Spiele (mit-)entwickeln, findet man kaum. Der Grund dafür ist, dass es hierzulande weder die dafür benötigten Ausbildungsplätze noch die erforderten Budgets findet, meint zumindest Thomas Maler, Gründer der in Wien firmierenden Spieleschmiede Moon Studios.

Für seinen im März erscheinenden, und bereits im Vorfeld viel beachteten Platformer "Ori and the Blind Forest" setzt der ehemalige Charakter- und Cinematics-Designer von Blizzard Entertainment ("WoW", "StarCraft", "Diablo") deshalb seit vier Jahren auf ein Team internationaler Profis. "Es ist generell schwer Top-Entwickler zu bekommen, aber in Österreich hätte ich mit Sicherheit nicht die Talente für eine Produktion wie 'Ori' gefunden", sagt Mahler im Gespräch mit dem GameStandard.

Thomas Mahler, Gründer von Moon Studios, arbeitet und lebt in Wien. Zuvor war er unter anderem als Designer bei Blizzard Entertainment tätig.
Foto: Microsoft

Massiver Nacholbedarf

Mahler macht mangelnde Bildungsangebote, Jobs und fehlende Investitionen dafür verantwortlich. "Es gibt kaum Möglichkeiten, anständig Programmieren und Game-Design zu lernen. Ich wüsste auch nicht, wo ich in Österreich Budgets für Games bekommen könnte", so Mahler. Bewerbungen erhalte er immer wieder. Auf Zeugnisse schaue er dabei nicht, doch meist fehle es an Können oder beruflicher Erfahrung. Hier sei einerseits der Staat gefragt, andererseits auch die Wirtschaft. Selbst "große Unternehmen wie Red Bull" hätten oft "völlig falsche Vorstellungen", wie viel die Entwicklung von Spielen koste. Eine Einschätzung, die auch andere heimische Studios teilen. Gut ausgebildete Fachkräfte seien wohl auch deshalb schwer in Österreich zu bekommen, da viele attraktivere Jobangebote im Ausland erhalten. "Wir würden uns noch mehr öffentliche Fördermittel und Finanzierung wünschen", erklärte etwa vergangenen Oktober Barbara Fux vom knapp 20 Mann starken Entwicklerstudio Socialspiel. Größere Studios wie Sproing beziehen sowohl ihr Personal als auch ihre Aufträge vielfach aus dem Ausland.

So baut Mahler auf eine internationale Truppe an Profis. Sein 9-köpfiges Kernteam mit Entwicklern aus USA, UK, Deutschland, Israel, Schweden, einer aus Österreich und "irgendwen habe ich jetzt sicher vergessen", virtuell zusammen. Wichtig für den Job sei es deshalb, eigenständig und zielorientiert arbeiten zu können. Konferiert wird über Skype, die Projektplanung erfolgt kollaborativ und digital. "Das erlaubt uns, die besten der Branche zu holen. Sie können von zuhause arbeiten und müssen nicht an einen Ort ziehen, an dem sie nicht leben wollen." So könne er heute noch genauso mit ehemaligen Blizzard-Kollegen zusammenarbeiten wie mit Zeichnern, die früher für Disney tätig waren. "Es war auch für Blizzard immer wieder ein Problem, gute Leute zu bekommen, weil sie nicht in Irvine (Kalifornien) leben wollen."

Xbox
Bild: Ori and the Blind Forest

Indie im Aufschwung

Der Entschluss zur Gründung eines Indie-Studios kam vor rund vier Jahren, als die Szene unabhängiger Entwickler dank neuer Vertriebsmöglichkeiten gerade zu sprießen begann. "Wir haben uns damals die Frage gestellt, ob wir am nächsten 'StarCraft'-Addon arbeiten wollen oder lieber selbst etwas auf die Beine stellen", erinnert sich Mahler. Anfangs habe er seine Mitarbeiter noch mit den Ersparnissen aus der Zeit beim US-Konzern bezahlen können, doch schon bald wurde klar, dass man seine Vorstellungen nicht alleine würde realisieren können. Denn wenngleich der Einstieg in die Spielentwicklung dank immer besserer Tools heute weit einfacher ist, als noch vor zehn Jahren, sind auch die Anforderungen an aktuelle Werke gestiegen.

Selbst Download-Games für PC, PlayStation 4 oder Xbox One können über die Jahre Millionen verschlingen. Mit ein Grund, weshalb immer mehr Kleinproduktionen auf Web- und Mobile-Plattformen ausgewichen sind - und heute aufgrund horrender Marketingsummen der Major-Player ganz anderen Problemen ausgesetzt sind. Mahler sagt zwar nicht, wie viel bereits in "Ori" investiert wurde, doch habe man schlussendlich in Form von Microsoft einen großen Publisher heranziehen müssen, um die eigenen Erwartungen erfüllen zu können. "Sie haben uns sofort verstanden und das Potenzial hinter der IP erkannt", so Mahler.

Wieso nicht auf eigene Faust?

Die Entscheidung, sich mit einem großen Herausgeber zusammen zu tun, habe Mahler zufolge nicht nur finanzielle Unterstützung mit sich gebracht. "Ein Publisher gibt dir die Freiheit, Größer zu werden, wenn man merkt, dass man mehr aus einer Idee machen könnte, als ursprünglich gedacht. Außerdem hat man Zugriff auf Personen mit jahrelanger Erfahrung. Von einem Menschen wie Ken Lobb Feedback zu bekommen, ist unheimlich wertvoll."

Gleichzeitig steht der Wiener alternativen Finanzierungsmodellen skeptisch gegenüber. Die laufende Fan-Finanzierung über Early Access-Modelle funktioniere beispielsweise nur für manche Genres, meint Mahler. Bei einem handlungszentrierten Einzelspielererlebnis wie "Ori" hätte das keinen Sinn ergeben. Crowd-Funding berge wiederum ganz andere Probleme. "Es ist wahnsinnig schwierig, Budgets einzuschätzen. Sogar für erfahrene Studios wie Double Fine und Entwickler wie Tim Schafer, die schlussendlich selbst mit dem Millionen-Budget für "Broken Age" nicht ausgekommen sind. Bei Software-Entwicklung kann man nur Prognosen machen. Das unterschätzen sehr viele, weil ihnen die Erfahrung fehlt." Das Problem bei Kickstarter sei, dass sich hier viele Amateure versammeln würden, die ihren Unterstützern nicht einzuhaltende Versprechen machen. "Es gibt dort Leute, die versprechen einen AAA-Titel für 200.000 Dollar zu produzieren. Wobei ganz klar ist, dass sie das nicht können", so Mahler.

Bild: Ori and the Blind Forest
Bild: Ori and the Blind Forest

Hoffnung auf Langlebigkeit

Für sein Debütwerk "Ori and the Blind Forest" hofft der Entwickler an die großen Zeiten der Sidecroll-Action-Adventure wie "Super Metroid" oder "Castlevania" anschließen zu können. Games, die heute kaum noch produziert werden.

"Super Mario Bros. macht heute nach 30 Jahren immer noch Spaß. 'Super Metroid' halte ich nach wie vor für eines der besten Games überhaupt. Ich hoffe, dass die Leute in 10 Jahren auch auf 'Ori' zurückblicken und es immer noch gut finden werden." Zudem hofft Mahler ein Vorbild für österreichische Nachwuchskräfte sein zu können. "Es würde mich persönlich sehr freuen, wenn 'Ori' junge Entwickler dazu anspornen kann, ihren Weg zu gehen." (Zsolt Wilhelm [auf Twitter], derStandard.at, 14.2.2015)