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Kurzatmigkeit, Atemnot, Husten können Symptome für eine Idiopathische Lungenfibrose sein - ein Arzt hört ein Knistern beim Abhören mit dem Stethoskop.

Foto: apa

Es gibt medizinische Werkzeuge mit einer langen Tradition, das Stethoskop zum Beispiel. Auch in Zeiten der Hightech-Medizin hat es seine Bedeutung keineswegs verloren. "Für die Diagnose der idiopathischen pulmonalen Lungenfibrose ist das Stethoskop nach wie vor das wichtigste Werkzeug", sagt Hubert Koller, Leiter der internen Lungenabteilung am Otto-Wagner-Spital in Wien.

Hört er ein knisterndes Geräusch, das in etwa so klingt, als ob man einen Klettverschluss ganz langsam aufreißt, wertet er das als Alarmsignal. Es ist ein typisches Merkmal für die idiopathische pulmonale Lungenfibrose, die IPF (sprich: Eipief).

Es ist eine Seltene Erkankung mit einer Inzidenz von 4,6 Fällen pro 100.000 Einwohnern. In Österreich gibt es zwischen 600 und 800 Patienten, Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Atemnot: Ein Symptom, viele Ursachen

"Wir glauben aber, dass es viele Fälle gibt, die nicht diagnostiziert sind", sagt Koller. Denn die Symptome der Erkrankung sind so unspezifisch, dass sie auf vieles zutreffen können. In erster Linie können ein unproduktiver Husten (ohne Schleim), Atemnot bei Belastungen, Müdigkeit und Gewichtsverlust Hinweise sein. "Nicht alle, aber viele Patienten entwickeln eine ganz besondere Form von Fingernägeln, die Uhrgläsern gleichen", sagt Koller, der deshalb bei jedem seiner Patienten auch auf die Hände achtet.

Um den Verdacht auf IPL zu bestätigen, schickt er Patienten zur hochauflösenden Computertomografie (HRCT). Helmut Prosch von der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Med-Uni Wien ist auf Lungenerkrankungen spezialisiert. "Beim Erkennen von unterschiedlichen Formen von Lungenfibrose geht es um die Deutung spezifischer Muster, die von Patient zu Patient unterschiedlich sind. Zudem können Strukturen unterschiedlicher Erkrankungen einander auch ähneln", sagt er und betont, wie wichtig deshalb Erfahrung ist.

Vernarbungen in der Lunge

"Ein ziemlich eindeutiger Hinweis für eine IPL sind allerdings wabenförmige Strukturen, vor allem in den unteren Hälften der Lungen. Denn die Erkrankung schreitet von den Außenrändern nach innen hin fort", führt er aus, die Lungenspitzen seien aber kaum betroffen.

Die wabenförmigen Strukturen, die sich im CT zeigen, sind ein Zeichen dafür, dass die Lungen vernarben. Fibrose ist der Fachbegriff für diese Vernarbung, die von fehlgeleiteten Signalstoffen auf zellulärer Ebene initiiert wird. Die Zellen in der Lunge bilden vermehrt Bindegewebe, diese Verhärtung des Gewebes führt dazu, dass die Lunge die Dehnbarkeit verliert. Mit der Zeit geht auch die Funktion verloren, Sauerstoff in den Organismus zu bringen.

Trigger für die Lungenfibrose

Die Ursachen für diese krankhaften Veränderungen sind nicht geklärt. "Wir vermuten, dass neben genetischen Faktoren auch Schadstoffe in der Umwelt, Rauchen und Medikamente eine Rolle spielen. Eine Theorie ist, dass äußere Faktoren ein Trigger bei Menschen sein können, die eine innere Veranlagung dafür haben", sagt Koller.

So wenig klar die Ursachen sind, so wenig klar ist auch der Verlauf der Erkrankung im Einzelfall. Es gibt Patienten, die bei relativ guter Lebensqualität viele Jahre mit der Erkrankung leben können, und andere, bei denen es rapide zu Verschlechterungen kommt.

"Wir arbeiten daran, einen Marker im Blut zu finden, mit dem wir Prognosen stellen können", sagt Koller. Wenn Patienten auch im Ruhezustand kurzatmig sind, verordnet er eine Sauerstofftherapie, im extremsten Fall eine Lungentransplantation, "allerdings nur, wenn ein Patient im Hinblick auf Alter und Allgemeinzustand dazu in der Lage ist".

Denn an sich ist die IPL nicht heilbar, seit kurzer Zeit aber insofern behandelbar, als sich das Fortschreiten des Vernarbungsprozesses in den Lungen medikamentös einbremsen lässt.

Zwei neue Medikamente

Der Wirkstoff Pirfenidone (Handelsname Esbriet von Roche) ist seit 2011 in der EU zugelassen und greift in den Vernarbungsprozess ein. Ein zweites Medikament namens Nintedanib (Handelsname Ofev von Boehringer Ingelheim) steht kurz vor der Zulassung. Es ist ein Tyrosinkinasehemmer und wird in der Onkologie gegen Tumore eingesetzt und dämmt über einen anderen Mechanismus das Fortschreiten der Fibrose ein.

Hubert Koller kennt beide Medikamente aus dem Einsatz in klinischen Studien. "Wir vermuten, dass für den Erfolg der Zeitpunkt des Therapiebeginns ausschlaggebend ist", sagt er. Je früher, desto besser. "Allerdings müssen wir erst Erfahrungen mit beiden Medikamenten sammeln, um festzustellen, welcher Patient auf welches Medikament wie anspricht."

Deshalb appelliert Koller vor allem an die Allgemeinmediziner, bei jeder Form von Atemnot auch immer die IPL als mögliche Diagnose in Betracht zu ziehen und an die spezialisierten Lungenzentren zur Abklärung zu überweisen. Denn, so vermuten Experten, die Dunkelziffer für IPL ist viel höher als die Zahl der diagnostizierten Erkrankungen.

Drei Jahre bis zur Diagnose

Davon ist auch Günther Wanke von der Österreichischen Selbsthilfegruppe Langzeit-Sauerstoff-Therapie (LOT Austria) überzeugt. Als persönlich Betroffener kann er aus eigener Erfahrung berichten, dass es drei Jahre gedauert hat, bis seine Diagnose gestellt wurde. Er hat sich den Weg durch die Ärzteschaft selbst gebahnt.

Insofern ist jegliches Knistern in der Lunge unbedingt ernst zu nehmen. Die Selbsthilfegruppe bietet für die Basisinformation über Lungenfibrose einen gut recherchierten Folder an. (Karin Pollack, derStandard.at, 17.2.2015)