Basierend auf wahren Schicksalen und Gesprächen mit Zeitzeugen porträtiert "Deserteur!" vier damals junge (von Laiendarstellern verkörperte) Burschen vom Land.

Foto: Das Kino

Salzburg - Erst 2005 wurde aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein Gesetz erlassen, mit dem die Urteile der NS-Justiz gegen Wehrmachtsdeserteure aufgehoben wurden - wobei der Begriff Wehrmachtsdeserteur gar nicht explizit genannt wird.

Denn seit 1945 drückt sich der politische Mainstream vor dem Thema, das bis heute heftig umstritten ist. Soldaten, die sich dafür entschieden, nicht mehr in einem verbrecherischen Krieg mitzumachen, werden nicht nur am Stammtisch noch immer in alter Naziterminologie als "Drückeberger", "Feiglinge", "Verräter" oder "Kameradenschweine" desavouiert.

Zuletzt gab es in Goldegg Streit um Gedenktafeln für einige Einheimische, die sich im Winter 1943/44 dem Einberufungsbefehl widersetzt hatten und von einem SS-Suchkommando ermordet worden waren.

Letztes Jahr rekonstruierte Regisseurin Gabriele Hochleitner im Film In der Kurve diese Ereignisse. Schon länger beschäftigt sich eine andere Salzburger Filmemacherin mit den vergessenen und verleumdeten Naziopfern: Die 1965 geborene Regisseurin und Produzentin Gabriele Neudecker realisierte Deserteur! im Jahr 2012, in Paris wurde das Dokudrama uraufgeführt, dann folgten Screenings beim Houston Filmfestival sowie die Österreich-Premiere beim Crossing Europe in Linz, insgesamt wurde der Mix aus Spiel- und Dokumentarfilm zu 20 Festivals geladen und mit etlichen Preisen geehrt.

Die Flachgauerin, die nicht nur in ihrer Heimat wegen des Streifens angefeindet und bedroht wurde, porträtiert vier damals junge Burschen vom Land - verkörpert von Laiendarstellern - und lässt diese im Hungerwinter 1946 ihre individuellen Schicksale direkt in die Kamera erzählen.

Die traumatischen Erinnerungen verschmelzen mit der gesellschaftlichen Ächtung, erst 2009 sollten die "Fahnenflüchtigen" offiziell rehabilitiert werden. Mehr als drei Jahre hatte Neudecker für die Recherchen und Dreharbeiten zum Film aufgewendet sowie am Kunstprojekt "Mobiles Denkmal für den unbekannten Deserteur" gearbeitet. Jetzt läuft ihr Langfilmdebüt im Salzburger Das Kino, Vorstellungen noch bis 13. 3. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD, 4.3.2015)