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Foto: dpa/Jörg Carstensen

Berlin - Wissenschaftler der Berliner Charité konnten bei der Auswertung langfristiger Erhebungen einen statistischen Zusammenhang zwischen Impfverhalten und der Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes feststellen. Innerhalb der vergangenen 40 Jahre schwankte in den USA die Impfquote entsprechend gesellschaftlicher Trends. Die Kindstodrate steht dabei in einem umgekehrten Verhältnis zur Impfabdeckung gegen Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten.

Kontinuierlicher Rückgang

Die Fälle von plötzlichem Kindstod gehen kontinuierlich zurück, dennoch bleiben sie ein Hauptgrund für den Tod von Säuglingen weltweit. Die Ursache ist weiterhin nicht bekannt, besonders gefährdet sind Neugeborene im ersten Lebenshalbjahr. Genau in diesen Zeitraum fallen die Impfungen gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Polio oder Haemophilus influenzae.

Entgegen der Befürchtung von Impfskeptikern, Immunisierungen zögen Komplikationen oder ein erhöhtes Kindstodrisiko nach sich, zeigen die Zahlen der amerikanischen Impfbehörden und Gesundheitszentren ein anderes Bild: "Unsere Untersuchung ist als Hinweis zu sehen, dass die klassischen Impfungen im Säuglingsalter gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Polio oder Haemophilus influenzae nicht mit einem erhöhten Risiko für einen plötzlichen Kindstod verbunden sind. Sie scheinen sogar eher einen schützenden Effekt zu haben", sagt Jacqueline Müller-Nordhorn, Leiterin der Berlin School of Public Health (BSPH).

Bei der Suche nach signifikanten Veränderungen hinsichtlich der Sterblichkeitsrate durch plötzlichen Kindstod haben die Forscher zahlreiche Daten einbezogen, darunter auch Studien zur Schlafposition von Säuglingen im selben Zeitraum. Besonders deutlich wird in der aktuellen Untersuchung ein zeitlicher Kontext zu Impfempfehlungen oder gesellschaftlichen Stimmungen.

Steigende Impfquote, weniger Kindstode

In den 70er und 80er Jahren sinken in den USA die Impfquoten - auch für Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten -, verantwortlich sind Verunsicherungen in der Bevölkerung. Gleichzeitig steigt die Sterblichkeitsrate durch Kindstod um 27 Prozent zwischen 1968 und 1971 und um 47 Prozent zwischen 1971 und 1974. Später sinkt die Häufigkeit des Kindstodes wieder, beispielsweise um acht Prozent zwischen den Jahren 1991 und 2001.

Der Trend ist eindeutig: Bei steigenden Impfquoten sinken zeitgleich die Fälle von plötzlichem Kindstod. Eine zehn Prozent höhere Quote bei der Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten, hier am Beispiel USA, verringert die Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes um fast zehn Prozent.

Befürchtungen und Ängste bestimmen nach wie vor die Impfentscheidung von Eltern, wie die aktuell geführte Debatte um die Masernimpfung zeigt. Ein Beispiel ist der inzwischen mehrfach widerlegte Zusammenhang zwischen einer Masernimpfung und dem Entstehen von Autismus.

Richtiges Zeitfenster

Im Fall von Keuchhusten hat ein ebenfalls fälschlich kolportiertes, vermeintliches Risiko für Hirnschäden zu einem deutlichen Rückgang der Impfquoten in den 70er und 80er Jahren geführt. Medizinische Studien konnten in den Folgejahren kein solches Risiko feststellen. Impfquoten schwanken demnach entsprechend öffentlicher Meinung und Expertenempfehlungen.

Zahlen aus Deutschlan belegen: Parallel zur Wiederaufnahme der Keuchhusten-Impfung sinkt auch hier die Häufigkeit des plötzlichen Kindstodes. Wichtig im Falle jeder Schutzimpfung im Kindesalter ist allerdings nicht nur das "ob", sondern auch das "wann", also die Impfung im richtigen Zeitfenster. "Besonders tragisch wäre es, wenn Eltern die Impfungen hinauszögerten, um ihre Kinder vermeintlich zu schützen und damit möglicherweise das Gegenteil bewirken", sagt Müller-Nordhorn. (red, derStandard.at, 27.3.2015)