Bild nicht mehr verfügbar.

Die "Rose von Jasenovac", vom ehemaligen Belgrader Bürgermeister und Wahlwiener Bogdan Bogdanović entworfen und 1966 als Mahnmal errichtet.

reuters/antonio bronic

Bild nicht mehr verfügbar.

Ehemalige Insassen des KZ Jasenovac bei Gedenkfeiern im Jahr 2004.

epa/antonio bat

Bild nicht mehr verfügbar.

Sie Aufseherin in einem Nebenlager, er Kommandant im Jahr 1944. Dinko und Nada Šakić entkamen nach dem Krieg nach Südamerika.

reuters/ho

Am 5. Mai vor 70 Jahren befreiten Titos Partisanen die letzten Insassen des Konzentrationslagers Jasenovac. Das von den flüchtenden Wachen fast völlig zerstörte Lager war ein Symbol für den systematisch betriebenen Völkermord an hunderttausenden Serben und zigtausenden Juden, Roma und Antifaschisten des mit Deutschland und Italien verbündeten "Unabhängigen Staates Kroatien" (USK) im Zweiten Weltkrieg.

An der Spitze dieses Staates standen die faschistischen Ustascha. Zunächst "nur" eine nationalistische Terrororganisation, entwickelte sie sich nach dem deutschen Angriff auf Jugoslawien zur führenden Kraft und einem verlässlichen Partner der Besatzer. Ihr "unabhängiger" Staat umfasste das Gebiet des heutigen Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Teile von Nordserbien und zählte fast sechs Millionen Einwohner. Ähnlich wie die Nationalsozialisten wollten die Ustascha ihren Staat von "volksfremden Elementen" befreien. In erster Linie waren damit die rund 1,9 Millionen Serben gemeint, die sich auf dem Staatsgebiet befanden.

"Lösung der serbischen Frage"

Unmittelbar nach der Etablierung des USK am 10. April 1941 machten sich die Ustascha daran, die "serbische Frage" zu lösen. Das erste größere Lager wurde im Velebitgebirge in Jadovno errichtet. Mehr als 40.000 Menschen wurden dort in nur 132 Tagen ermordet. Auf Drängen der italienischen Faschisten musste Jadovno im August 1941 geschlossen werden. Das Töten verlagerte sich nun in den Norden: In der deutschen Einflusszone wurde der KZ-Komplex Jasenovac, das "Auschwitz des Balkans", eröffnet. In dieser "Manufaktur des Todes", so der vielleicht treffendere Begriff, gab es jedoch keine Gaskammern. Die Insassen wurden stattdessen meist durch kalte Werkzeuge ermordet. Hammer, Sichel oder ein speziell für massenhaftes und leichteres Schlachten präpariertes Erntemesser, der sogenannte "Serbenschneider" (Srbosjek), sorgten für unbeschreibliche Schrecken im Lager.

Hunderttausende Opfer

Im "Großkroatien" jener Tage bestanden insgesamt 24 Todes-, Anhalte und Arbeitslager, einige davon ausschließlich für Kinder. Die meisten befanden sich auf dem Gebiet, das auch heute zu Kroatien zählt. Wie die Nazis überzogen auch die Ustascha das Land mit Terror. Geplant war unter anderem, aus den Serben in enger Kooperation mit der katholischen Kirche mittels Zwangstaufen Kroaten zu machen. Wer sich weigerte, wurde buchstäblich vor der eigenen Haustür erschlagen oder in Wälder getrieben und in Massen erschossen. Wo es möglich war und den Mördern sinnvoll erschien, sparten sie Munition, indem sie ihre Opfer Klippen oder andere Abgründe hinabstießen.

Wie viele Serben Opfer des Völkermordes wurden, ist heute noch immer Diskussionsgegenstand. Gründlicher als die Deutschen vernichteten die Ustascha jegliche Aufzeichnungen über ihre Taten, sodass die moderne Geschichtsschreibung von "nur" 340.000 Opfern (US Holocaust Memorial Museum) ausgeht, andere Quellen sprechen von mehr als einer Million. Es mag zynisch klingen, doch hatten die Serben dabei Glück im Unglück: Die serbische Bevölkerung konzentrierte sich auf oft ethnisch homogene ländliche Gebiete. Dort konnten sie rasch Widerstandsgruppen bilden und sich in den Wäldern und Bergen verstecken. Die Juden jedoch lebten meist in Städten und waren der Verfolgung hilflos ausgeliefert. Relativ gesehen hatten die jugoslawischen Juden die meisten Opfer im Zweiten Weltkrieg zu beklagen. Insgesamt fielen 92 Prozent der jüdischen Bevölkerung Jugoslawiens dem Holocaust zum Opfer.

Weitestgehend vergessen

Einer der Gründe, warum der Völkermord an den Serben der breiten Öffentlichkeit in Österreich relativ unbekannt ist, liegt wahrscheinlich in der Tatsache, dass es für eine Gesellschaft schwer ist, sich mit allen Aspekten des Zweiten Weltkriegs zu beschäftigen. Als "Nebenschauplatz" zieht der Balkan in dieser Hinsicht den Kürzeren. Zwar wurde – anders als etwa bei den jugoslawischen Juden – der Völkermord an den Serben auf alleiniges Bestreben und unter Regie der kroatischen Ustascha verübt, doch sollte man sich der Verantwortung Nazi-Deutschlands an diesem Verbrechen bewusst sein.

Ein sehr plakatives Beispiel stellt die Operation "Westbosnien" dar. 40.000 mehrheitlich deutsche und kroatische Soldaten rückten gegen 3.000 Partisanen vor, die sich im Kozara-Gebirge in Nordwestbosnien aufhielten. Aus Angst vor Übergriffen der anrückenden Truppen schlossen sich etwa 70.000 mehrheitlich serbische Zivilisten den Partisanen an und flohen ebenfalls in die Berge. Erwartungsgemäß konnten die zahlen- und ausrüstungsmäßig unterlegenen Partisanen nicht lange Widerstand leisten. Insgesamt fielen 1.500 von ihnen. Massaker an der Zivilbevölkerung folgten, und Zehntausende wurden in Konzentrationslager, auch nach Jasenovac, verschleppt. An diesem militärischen Erfolg und seinen Folgen für die Zivilbevölkerung war auch ein gewisser Kurt Waldheim beteiligt, der später österreichischer Bundespräsident werden sollte. Für seine "Verdienste" erhielt er von den Ustascha den König-Zvonimir-Orden.

Aufarbeitung war verboten

Im Jugoslawien des Josip Broz "Tito" war freier Diskurs über die Kriegsverbrechen der Jugoslawen untereinander nicht zugelassen, ja sogar bei Strafe verboten. Wie in anderen kommunistischen Ländern wurden Wahrheit und Vergangenheitsbewältigung von oben verordnet und folgten strikt einem Schwarz-Weiß-Schema. Der heroische Kampf der Partisanen gegen die Besatzer, seine Gehilfen und die Heimatverräter stand im Mittelpunkt des Narrativs. Die Opfer wurden zumeist als "Opfer des Faschismus" charakterisiert. Die Täter flohen entweder aufgrund guter Kontakte unter anderem zum Vatikan über die "Rattenlinie" nach Südamerika oder wurden von revolutionären Tribunalen abgeurteilt. Die Frage, ob die vielen Verbrechen – auch an der ausgelöschten deutschen Minderheit – ethnisch motiviert waren, wurde in den Hintergrund gerückt.

Sinnvoll erinnern

Diese verkürzte Geschichtsdarstellung ließ jedoch viele Fragen ungeklärt, über die man erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Streit geriet. Nach Titos Tod begann man die von oben verordnete Wahrheit kritisch zu hinterfragen. Jedoch genoss Jugoslawien nicht den "Luxus" anderer sozialistischer Staaten. Es war nicht ethnisch homogen. Jede Diskussion über die ethnisch motivierten Verbrechen konnte die fragilen interethnischen Beziehungen zum Schwanken bringen. Es wurde geleugnet, übertrieben, beschuldigt. Bei manchen wurde auch der Ruf nach Rache laut. Mit bekanntem Ausgang. Eine rechtzeitige und vollständige Aufarbeitung des Völkermords im Zweiten Weltkrieg hätte – auch im Hinblick auf heutige Verhältnisse in Ex-Jugoslawien – dazu dienen können, den Menschen klarzumachen, dass ethnisch motivierte Gewalt durch nichts zu rechtfertigen ist. Nur in dieses Setting verpackt ist Erinnern sinnvoll. Und aus diesem Grund sollten wir kein einziges Opfer ethnisch motivierter Gewalt vergessen. (Nedeljko Savić, 8.5.2015)