Bild nicht mehr verfügbar.

Eine US-Studie kommt zu dem Schluss, dass der berufliche Status die Lebenserwartung von Patienten mit frontotemporaler Demenz nach Diagnosestellung signifikant positiv beeinflusst. Ein möglicher Bias durch andere Einflussfaktoren wurde allerdings nicht berücksichtigt.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Köln – Wie die Alzheimer-Demenz wird auch die seltenere frontotemporale Demenz (FTD) durch den Untergang von Nervenzellen des Gehirns verursacht. Betroffen sind vor allem das Stirnhirn und der Schläfenlappen, was zu Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens sowie zu Sprachstörungen führt.

Bislang gibt es keine gezielten Therapiemöglichkeiten. Von Alzheimer-Medikamenten profitieren Patienten mit einer FTD nicht. Zudem erkranken sie im Durchschnitt auch deutlich früher, im Alter von 50 bis 60 Jahren: Betroffene sind also häufig noch im beruflich aktiven Alter. Schätzungen zufolge leiden zwischen drei und neun Prozent der Demenzkranken an der FTD.

Faktor beruflicher Status

"Möglicherweise führt eine geistig stimulierende und fordernde Betätigung zur Ausbildung einer echten geistigen Reserve des Gehirns", meint Gereon Fink von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Seine Hypothese leitet der Neurologe aus aktuellen Studienbefunden ab: "Eine US-Untersuchung zeigte erstmals, dass der berufliche Status die Lebenserwartung von Patienten mit FTD nach Diagnosestellung möglicherweise signifikant positiv beeinflusst", so Fink.

Lauren Massimo von der Universität Pennsylvania in Philadelphia hat untersucht, ob geistig anspruchsvolle Berufe die Überlebensdauer nach der Diagnose der Krankheit verlängern können. Sie verglich dazu die Krankenakten und die Biografien von 83 Personen, die entweder an der Alzheimer-Krankheit verstorben waren oder an einer FTD.

Das Leben verlängern

Beruflicher Erfolg wurde auf Basis des erreichten Beschäftigungsstatus klassifiziert, also ob jemand etwa als Arbeiter, Handwerker oder Verkäufer oder beispielsweise als Anwalt, Arzt oder Ingenieur arbeitete.

Im Mittel überlebten die Patienten mit FTD etwa sieben Jahre (81 Monate), nachdem Angehörige bei ihnen erstmals ein dauerhaft ungewöhnliches Verhalten beobachtet hatten. In der Gruppe mit dem niedrigsten Beschäftigungsstatus waren es jedoch durchschnittlich nur 72 Monate, in der am höchsten qualifizierten Gruppe 116 Monate.

FTD-Patienten mit hoch qualifizierter Tätigkeit überlebten damit bis zu drei Jahre länger als Patienten mit weniger anspruchsvollen Berufen. Unklar ist, warum dieser Zusammenhang für die Alzheimer-Erkrankung in der Studie nicht nachgewiesen werden konnte.

Schützt kognitive Reserve vor Demenz?

Die Ergebnisse der Studie sind laut Gereon Fink in Einklang mit früheren Arbeiten, die gezeigt haben, dass Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau ein höheres Risiko haben, an der Alzheimer-Krankheit zu erkranken.

Demnach könnte sich eine kognitive Reserve verzögernd auf den Krankheitsverlauf auswirken. Als kognitive Reserve bezeichnen Wissenschaftler die Fähigkeit des Gehirns, den durch eine neurodegenerative Erkrankung verursachten Zellenabbau auszugleichen und damit die geistige Leistungsfähigkeit - trotz Fortschreiten der Erkrankung - lange Zeit aufrechtzuerhalten.

Vereinfacht gesagt: Wer ein gut trainiertes Gehirn hat, dem schadet es weniger, wenn kleine Teile des Gehirns nicht mehr so funktionstüchtig sind.

Intervenierende Variablen

"Man sollte allerdings nicht vergessen, dass ein höherer beruflicher Erfolg im Regelfall auch mit einem besseren sozialen und ökonomischen Status einhergeht", gibt Fink zu bedenken. Der Schutzeffekt könnte also auch darauf beruhen, dass beruflich erfolgreiche Menschen meist auch wirtschaftlich besser gestellt sind, sich damit bessere Ärzte und einen gesünderen Lebensstil leisten können und mehr Unterstützung durch ihr soziales Umfeld erfahren.

Darüber hinaus ist die Aussagekraft der aktuellen Studie durch die relativ kleine Zahl an Fällen eingeschränkt. Deshalb, so Fink, müssten weitere Studien den Zusammenhang belegen. (red, 18.5.2015)