Bild nicht mehr verfügbar.

Einen 100-prozentigen Schutz bietet auch die Immuntherapie nicht: Bei Bienengift liegt die Erfolgsrate um die 80 Prozent, bei Wespengift im Bereich von 95 Prozent.

Foto: APA/dpa/Arne Dedert

Honigbienen können Allergikern bereits im Frühling gefährlich werden. Wespen vor allem im Spätsommer und Herbst.

Grafik: © ALK-Abelló

Wissenswertes zu Bienen & Co: Eine kleine Insektenkunde.

Foto: © ALK-Abelló

Die Sache scheint klar zu sein. Bienen sind wichtig für den Menschen: Fleißig, friedvoll und wahrhaftig nützlich. Das absolute Gegenteil davon: Wespen. Enervierend-hektische Zeitgenossen, immer auf der Suche nach Süßem oder Fleisch. Für nichts gut, außer Vogelfutter.

Nicht ganz so eindeutig dürfte die Sympathieverteilung allerdings bei jenen knapp 300.000 Menschen in Österreich ausfallen, die allergisch auf Insektengift reagieren. "Immerhin sind Bienen- oder Wespenstiche für rund die Hälfte aller gefährlichen Allergien bei Erwachsenen verantwortlich", sagt Dermatologe Stefan Wöhrl vom Floridsdorfer Allergiezentrum (FAZ) im 21. Wiener Bezirk.

"Zusätzlich reagieren weitere 400.000 Österreicher mit einer übermäßigen Lokalreaktion der Haut – beispielsweise einer Quaddel an der Einstichstelle, die einen Durchmesser von zehn Zentimetern übersteigt", ergänzt der Experte.

Selten lebensgefährlich

Die gute Nachricht: Im Frühling, Sommer und Herbst müssen nur die wenigsten Allergiker um ihr Leben fürchten. "Wir sprechen von vier bis fünf Todesfällen pro Jahr durch Bienen- oder Wespenstiche. Etwa 20 bis 30 Prozent der allergischen Reaktionen müssen akut behandelt werden, sind aber nicht lebensbedrohlich. Die restlichen Fälle verlaufen glimpflich", sagt der Allergologe Gunter Sturm von der Grazer Uniklinik für Dermatologie und Venerologie.

Das Problem: Betroffene wissen häufig nicht, wie heftig ihr Körper auf Insektengift reagiert. Bei Allergikern setzt der Körper nach dem ersten Bienen- oder Wespenstich einen Abwehrmechanismus in Gang. Er rüstet auf und produziert Antikörper. Gelangt durch einen neuerlichen Stich wieder Gift in den Körper, werden diese Antikörper aktiviert und kämpfen gegen das an sich harmlose Gift an. Durch die übermäßige Histamin-Ausschüttung kann es zu einer gefährlichen Kettenreaktion kommen.

Das Worst-Case-Szenario: "Blutgefäße weiten sich aus, der Blutdruck fällt rapide ab, das Atmen fällt schwer, lebenswichtige Organe wie Herz, Lunge und Gehirn können nicht mehr ausreichend versorgt werden, das Herz beginnt zu rasen, der Kreislauf bricht zusammen. Zusätzlich tritt Flüssigkeit aus den Gefäßen aus und lagert sich im Gewebe ab. Bilden sich dadurch Schwellungen im Halsbereich, kommt es zu einer massiven Atemnot", erklärt Stefan Wöhrl.

Falsch-positive Diagnose

Theoretisch kann durch einen Bluttest herausgefunden werden, ob der Körper nach dem ersten Bienen- oder Wespenstich Allergen-spezifische Antikörper (IgE) gebildet hat. "Ich empfehle eine solche Diagnostik aber nicht, da diese häufig falsch-positiv ist. Menschen, bei denen IgE-Antkörper gegen Bienen- oder Wespengift nachweisbar sind, aber noch nie allergisch reagiert haben, weisen zwar ein höheres Risiko für gesteigerte Lokalreaktionen auf, besitzen jedoch kein erhöhtes Risiko für systemische Reaktionen, die den ganzen Körper betreffen", erklärt Sturm.

"Ein Allergietest sollte dann durchgeführt werden, wenn die allergische Reaktion über unproblematische lokale Hautsymptome hinausgeht", sagt Wolfgang Hemmer vom FAZ. Da Bienen- und Wespengift auch kreuzreaktive Allergene enthalten, reagieren etwa 50 Prozent aller Patienten im Allergietest auf beide Gifte, was die Identifizierung des verantwortlichen Allergie-auslösenden Insekts nicht selten erschwert.

Nur wenige halten durch

In Österreich entscheiden sich nur zwei von zehn Allergikern für eine Immuntherapie – obwohl die Kosten zur Gänze von der Krankenkasse übernommen werden. Patienten können zwischen zwei Varianten wählen: Die konventionelle, ambulante Therapie, bei der zunächst über 15 Wochen hinweg eine genau definierte, steigende Menge des Gifts in den Oberarm injiziert wird – bis schließlich die Höchstdosis erreicht ist. Daneben steht eine stationäres Schnell-Schema zur Verfügung: Hier müssen Therapiewillige für vier Tage ins Krankenhaus.

In beiden Fällen wird danach im Monatsrhythmus, mehrere Jahre lang, das Gift unter die Haut gespritzt. So gewöhnt sich der Körper nachhaltig an die Substanz. Bei einem neuerlichen Stich sollte die allergische Reaktion ausbleiben oder zumindest deutlich schwächer ausfallen.

Laut einer aktuellen Studie halten diese zeitaufwändige Prozedur aber nur die Hälfte der Patienten bis zum Ende durch. Zudem ist die Immuntherapie kein Garant für einen 100-prozentigen Schutz: Bei Bienengift liegt die Erfolgsrate um die 80 Prozent, bei Wespengift im Bereich von 95 Prozent. Der Grund für diesen Unterschied liegt im Gift: Während Bienengift zwölf Allergene (Api m 1 bis Api m12) enthält, sind es im Substrat der Wespe nur sechs (Ves v 1 bis Ves v 6).

Den Stich provozieren

"Der Schutz gegen Wespengift ist deshalb auch wesentlich höher, weil hier mit der dreifachen Dosis therapiert wird. Beim Wespenstich beträgt die Giftmenge etwa 30 Mikrogramm, injiziert werden 100 Mikrogramm. Die Biene kann bis zu 140 Mikrogramm abgeben, die Höchstdosis bei der Immuntherapie beträgt jedoch ebenfalls nur 100", ergänzt Sturm. Das ist deshalb problematisch, da etwa die Allergene Api m 3 und 10 – auf die relativ Allergiker reagieren – nur in geringer Konzentration im Bienengift enthalten sind. Das heißt, die Impfdosis enthält zu wenig Api m 3 und 10, um den Körper dagegen "immunisieren" zu können.

Wer wissen will, ob die Therapie erfolgreich war, muss einen Stich riskieren. In der Grazer Uniklinik können sich Patienten daher unter Notfallbereitschaft eines Ärzteteams durch eine sogenannte "Stichprovokation" gezielt von einer Biene oder Wespe "vergiften" lassen und so überprüfen, ob sie noch allergisch sind. "Die Bienen dafür werden von einem Imker gezüchtet, die Wespen müssen wir selbst fangen", so Sturm. "In Bäckereien sind wir da sehr erfolgreich."

Die beste Prophylaxe wäre laut dem Allergologen ohnehin die Stichvermeidung. "Die ist aber so gut wie unmöglich." (Günther Brandstetter, 11.6.2015)