Sotheby's-Auktionator Henry Wyndham dirigiert die Gebote zwischen einem übers Telefon zugeschalteten Interessenten und einer Bieterin im Saal.

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Bei der Präsentation in London erntete Gertrude Loew-Felsövanyis Porträt – der Inbegriff Klimts Meisterschaft – viel Bewunderung.

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Die duftigste Lyrik, deren die Palette fähig ist, so hatte Kunstkritiker Ludwig Hevesi das 1902 von Gustav Klimt geschaffene Porträt Gertrude Loews beschrieben. Damals, als es in der Secession erstmals öffentlich präsentiert worden war, Jahrzehnte bevor eine Staub- und Nikotinschicht die Brillanz der Malweise verschleiern sollte und das Bild zu einem öffentlich diskutierten Raubkunstfall wurde. Manches davon ist inzwischen Geschichte, anderes wird Teil der Biografie dieses Kunstwerkes bleiben.

Am 17. Oktober 1902 hatte Klimt in einem Brief ein Porträt erwähnt, dessen Fertigstellung ihm die üblichen Mühen bescheren würde, zumal es unter allen Umständen anderntags fertig zu sein habe. Laut Klimt-Experten waren in diesem Jahr nur zwei solcher Bildnisse entstanden, jenes der Maria Henneberg in der ersten Jahreshälfte und das der Tochter des Wiener Sanatoriumsbesitzers also in der zweiten. Warum der Künstler unter Zeitdruck stand?

Geburtstagsgeschenk für Vater Anton Loew

Nun, am Montag den 20. Oktober 1902 feierte Anton Loew seinen 55 Geburtstag und die zugehörige Festivität fand wohl am Wochenende davor statt. Ein Geschenk, an sich selbst oder von der Familie, das von Klimt geschaffene Meisterwerk, stellvertretend für seine Tochter, die alsbald heiraten würde, verblieb bei ihm. Ein Detail, das über die Jahre und mit dem Tod aller Beteiligten schlicht verlorengegangen war.

Nach ihrer Flucht in die USA und dem vergeblichen Versuch, die entzogene Kunstsammlung nach dem Zweiten Weltkrieg aufzufinden, hatte Gertrude Loew, verheiratete Felsövanyi, nie wieder auch nur ein Wort darüber verloren.

1941, als das Sanatorium bereits längst arisiert und das angeschlossene Palais wohl schon geräumt worden war, erwarb der NS-Propagandaregisseur Gustav Ucicky dieses Gemälde, das nun im Mittelpunkt eines Ende Mai unterzeichneten Vergleichs zwischen der im Herbst 2013 von seiner Witwe Ursula gegründeten Klimt-Foundation und den Erben nach Felsövanyis stand.

Star der Woche

Nun gelangte es bei Sotheby’s in London zur Versteigerung. Und was sich während der Schaustellung anbahnte, wurde am Abend des 24. Juni Gewissheit: Das Bildnis sollte allen anderen diese Woche in London angebotenen Werken der Sparte Impressionist & Modern Art die Show stehlen. Der tags zuvor bei Christie's offerierten glanzlosen Kommerzware, die 71,46 Millionen Pfund einspielte, sowieso, aber auch der Sotheby's- Entourage, die dem Auktionshaus nach zwei Stunden mit 178,59 Millionen Pfund einen fulminanten Umsatz bescherte.

So beachtlich die Resultate zu Kazimir Malevics suprematistischer Komposition von 1915 (30,1 Millionen Euro), zu Édouard Manets "Le Bar aux Folies-Bergère" von 1881 (23,81 Millionen Euro) oder auch dem aus dem Fundus von Cornelius Gurlitt an die Erben nach David Friedmann restituierten Liebermann ("Zwei Reiter am Strand", 2,62 Millionen Euro) – an die Spitze der Top-Ergebnisse setzte sich das Klimt-Werk.

Exakt 14 Minuten lang währte das von Henry Wyndham eher koordinierte als dirigierte Gefeilsche zweier Interessenten um das auf zwölf bis 18 Millionen Pfund (exklusive Aufgeld) taxierte Bildnis Gertrudes: von neun Millionen Pfund ging es mehrheitlich in 100.000er Schritten aufwärts. Der übers Telefon zugeschaltete Sparfuchs – dem Vernehmen nach Ronald Lauder – war für launige Einlagen des Sotheby's-Auktionators deutlich weniger empfänglich als die mit einem Handy bewaffnete Saalbieterin, der immerhin 300.000er-Hüpfer zu entlocken waren. Bei 24,78 Millionen Pfund (inklusive Aufgeld) ward der Besitzerwechsel zu ihren Gunsten besiegelt, der Applaus des Publikums hatte etwas Erlösendes und galt wohl auch Wyndhams Geduld.

Zum Gastspiel nach New York

In wessen Auftrag die Bieterin (Paddle-Nummer 924) das Gemälde erwarb, ist nicht bekannt, lediglich, dass es sich um einen Privatsammler handelt, der sich an diesem Abend auch noch Anderes aus dem Angebot fischte. Edgar Degas' bronzene Balletteuse tanzte unter seiner Regie bis zum neuen Auktionsrekord von umgerechnet 22,23 Millionen Euro.

Dass Lauder das Klimt-Gemälde dennoch in der Neuen Galerie (New York) "begrüßen" wird, darf vermutet werden, laut Katalogangaben soll es dort kommendes Jahr als Leihgabe "Woman of Vienna's Golden Age 1900–1918" (September 2016–Jänner 2017) gastieren.

Seitens der Verkäufer, die sich den Erlös teilen, herrscht Zufriedenheit: Für die Erben nach Felsövanyi, die wesentliche Teile in soziale Projekte investieren werden, handelt es sich laut ihrem Anwalt Ernst Ploil dank Sotheby's professioneller Handhabung und der juristisch konsequenten Entscheidung des Bundesdenkmalamts zur Ausfuhr um das "wirtschaftlich erhoffte Ergebnis". (Olga Kronsteiner, 25.6.2015)