Bild nicht mehr verfügbar.

Das IceCube-Labor in der Antarktis ist seit 2010 in Betrieb. Unter dem Gebäude erstreckt sich das gigantische, ein Kubikkilometer große Observatorium zur Beobachtung von Neutrinos.

Foto: REUTERS/Emanuel Jacobi/NSF

Physikern ist mithilfe des IceCube-Neutrino-Observatoriums in der Antarktis ein Neutrino mit der höchsten jemals gemessenen Energie ins Netz gegangen. Über die spektakuläre Entdeckung berichtete ein internationales Team um Teresa Montaruli von der Universität Genf am Dienstag an der 34. Internationalen Konferenz zur kosmischen Strahlung in Den Haag (Niederlande). Die Forscher gehen davon aus, dass das Neutrino kosmischen Ursprungs ist.

Die Erde wird kontinuierlich von kosmischer Strahlung bombardiert – mit Teilchen, deren Energien bis zu zehn Millionen Mal größer sind, als sie in Teilchenbeschleunigern, wie beispielsweise dem Large Hadron Collider (LHC), auf der Erde erzeugt werden können. Obwohl diese zumeist aus Atomkernen bestehende Strahlung schon vor mehr als hundert Jahren entdeckt wurde, sind ihre astronomischen Quellen immer noch unbekannt. Die Lösung dieses Rätsel gehört zu den wichtigsten Aufgaben der modernen Physik.

Zur Lösung haben Physiker schon vor mehr als 50 Jahren vorgeschlagen, nach kosmischen Neutrinos zu suchen, weil diese ungestört auf geradem Weg durch das Universum fliegen und weil ihre Existenz eng mit der Produktion der kosmischen Strahlung verknüpft wäre. Jedoch stellt ihre Messung eine große Herausforderung dar, da extrem große Detektoren benötigt werden.

Gigantisches Observatorium für winzige Teilchen

Nach mehreren Jahrzehnten der Detektorentwicklung und sechsjähriger Bauzeit wurde im Jahr 2010 das IceCube-Neutrino-Observatorium am geografischen Südpol fertiggestellt. Hier arbeiten heute 310 Wissenschafter einer internationalen Kollaboration von 44 Instituten aus zwölf Ländern unter der Leitung der University of Wisconsin, Madison, USA. IceCube ist der weltweit größte Neutrinodetektor und instrumentiert rund ein Kubikkilometer des antarktischen Eises in einer Tiefe zwischen anderthalb und zweieinhalb Kilometer mit ultrasensitiven Lichtsensoren. Diese können das schwache Lichtsignal messen, das bei einer Neutrinowechselwirkung mit dem Eis entsteht. Bereits in den Messdaten der ersten Jahre konnte ein kosmisches Neutrinosignal entdeckt werden.

Physiker der IceCube-Kollaboration haben nun mithilfe zusätzlicher Daten von nun insgesamt sechs Jahren Messzeit die vorherigen Messungen deutlich verbessert. Die gesammelten Daten bestehen aus mehreren Milliarden aufgezeichneten Leuchtereignissen, die zumeist Untergrund sind und nicht auf Neutrinos zurückgeführt werden können. Daraus wurde mit ausgefeilten Analysemethoden eine beeindruckende Auswahl von 340.000 Ereignissen extrahiert, die auf Wechselwirkungen von Myon-Neutrinos zurückgeführt werden können. Diese Neutrinos stammen zu ihrer überwiegenden Zahl nicht aus dem Kosmos, sondern sind bei Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit der Erdatmosphäre entstanden.

Eines der Ereignisse sticht heraus: Es ist ein extrem hochenergetisches Neutrino, dessen Ursprung mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb unseres Sonnensystems liegt. Leif Rädel, Wissenschafter der RWTH Aachen und Entdecker des Ereignisses, erläutert: "Bei dem Ereignis handelt sich um ein Neutrino-induziertes Myon, das über einen Kilometer durch das instrumentierte Detektorvolumen fliegt. Auf seinem Weg durch den Detektor verliert es eine Energie von circa 2,6 PeV, was einer erwarteten Myonenergie von 4 bis 5 PeV entspricht. Das heißt, dass die Neutrinoenergie sogar noch größer gewesen sein muss."

Näher am mysteriösen Ursprung

Diese hohe Energie breche nicht nur den Weltrekord der von IceCube im Jahr 2013 beobachteten Neutrino-Energie von 2,2 PeV. Diesmal sei es eine lange Spur, deren Richtung mit einer Genauigkeit von besser als einem Grad gemessen werden kann, erklären die Forscher. Daher kann nach astronomischen Quellen in der Herkunftsrichtung des Ereignisses gesucht werden. Da Myon-Neutrinos eine sehr gute Richtungsauflösung besitzen, könnte die Entdeckung die Forscher näher an die Lösung des Rätsels um den Ursprung der höchstenergetischen kosmischen Strahlung bringen. (red, 4.8.2015)