Messner-Museum duckt sich recht unauffällig in die Landschaft, rahmt Blicke zu Ortler, Marmolada-Gletscher und den Lienzer Dolomiten.

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Bloß als Museum mit Bildern und Vitrinen ist Zaha Hadids Bau nicht allzu ergiebig.

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Das einzig richtige Ziel beim Bergsteigen gibt es nicht. Es gibt nur Möglichkeiten am Unmöglichen vorbei." Wild verzerrt, wie durch einen unterirdischen Sog perspektivisch in die Tiefe gezogen, kreuzen einander Fugen und Ecken und Kanten. Fast wähnt man sich am oberen Ende einer Rolltreppe, die steil zur U-Bahn-Plattform hinunterführt.

Das Gleichgewicht, das muss nach dem ersten Blick in die tunnelartigen Betonröhren hinein erst noch gefunden werden. Und irgendwo an der Wand, verloren in der Ortlosigkeit gekrümmter, gewundener Geometrien, da prangt es, das, man möchte fast annehmen, waagrecht an die Wand gepickte Zitat des wahrscheinlich berühmtesten Bergsteigers der Welt.

"Dieses Museum ist ein Wunderwerk in Perfektion, und ich könnte mir kein besseres Gebäude an dieser Stelle vorstellen", sagt Reinhold Messner draußen auf dem Balkon, der wie eine betonierte Unterlippe über den Abgrund ragt. "Aber mit Zaha Hadid zusammenzuarbeiten, das ist, wie wenn zwei Welten aufeinanderknallen, und dann ist man herausgefordert, das Unmögliche möglich zu machen. Ich denke, das ist so, weil es zwischen Künstlern nur so funktionieren kann."

Arrangement mit schiefen Winkeln

Messner deutet auf die Sprüche an der Wand, die gegen die Architektur anzukämpfen scheinen. Auf seine geliebten Aquarelle und Ölschinken, die dem Alpinismus als, wie er meint, europäischer Kultur frönen. Auch sie wollen und können sich mit den schiefen Winkeln der britischen Stiletto-Dame nicht so richtig arrangieren. Immer wieder prallen seine güldenen Holzrahmen auf die scharfkantig geschnittenen, zweiachsig gekrümmten Betonschalen seiner Kontrahentin. Da fragt man sich bisweilen, wer denn hier wen ausstellt. Die Hadid den Messner? Oder doch umgekehrt?

Das drei Millionen Euro teure Mountain Messner Museum (MMM) hoch oben auf dem Kronplatz, das sechste und laut Hausherr auch letzte seiner Art, wurde vor kurzem erst eröffnet und seiner endgültigen Bestimmung übergeben. Diese ist, nicht nur Besucher ins Museum zu locken, was mit 400 angepeilten Gästen pro Tag eine wiewohl gern gesehene Nebenerscheinung ist, sondern in erste Linie, eine neue Schar an Berg-Aficionados auf 2275 Meter Seehöhe zu hieven, hinauf auf den Plan de Corones, wie das Hochplateau mit seinem fabelhaften Rundumblick auf die felsigen Kronenzacken der Dolomiten im Ladinischen genannt wird.

"Der Kronplatz ist eine wunderbare Winterdestination", sagt Andrea Del Frari, Geschäftsführer des Dachverbands Skirama Kronplatz, der 32 Aufstiegsanlagen und mehr als 106 Pistenkilometer in Obhut hat. "Und tatsächlich generieren wir im Winter 98 Prozent unseres Gesamtjahresumsatzes. Aus diesem Grund haben wir uns nach einer Möglichkeit umgeschaut, auch im Sommer mehr Besucher auf den Plan de Corones zu locken." Die Kombination aus Messner, Hadid und unüberbietbarem Ausblick, sagt Del Frari, "das ist eine Chance, die ergibt sich nur einmal, und da muss man zupacken."

Geschmeidige Betonröhre

Ursprünglich, das war 2012, träumte Skirama noch von einer Aussichtsplattform, von einer Terrasse, von einem Turm, dem die Höhe des Kronplatzes noch nicht genügend schien. Ein geladener Wettbewerb wurde ausgeschrieben, den Zaha Hadid mit einem wie immer dynamischen Betonschwanenhals gewann. Doch dann kam der Bergsteiger ins Spiel, brachte sich mit dem Vorschlag ein, auf dem Kronplatz sein sechstes MMM zu errichten, und die Siegerin zog sich nach London zurück, um umzuzeichnen und, statt in luftige Höhen zu bauen, nun zehn Meter in die Tiefe des Berges hinabzugraben.

Von außen sieht man dem Museum weder Form noch Funktion an. Zwischen all den mitunter unsagbar hässlichen Restaurants, Gästehäusern und Seilbahnstationen, die sich auf dem Kronplatz zu einem "Klassentreffen von Autobahnraststätten aus den Achtzigerjahren" (Die Zeit) zusammentummeln, nimmt sich das großteils unterirdische MMM asketisch zurück. Eine geschmeidige Betonröhre, die in ihrem rechteckig geblähten Querschnitt ein wenig an die allerersten Apple-Monitore erinnert, ragt aus einem künstlich aufgeschütteten Gupf aus Stein und Geröll und saugt die sommerfrischen Wandersleut' ins Innere der Hadid'schen Grotte.

"Viele haben mir prophezeit, dass ich an den Rundungen von Zaha Hadid abrutschen werde", sagt Messner, "aber da haben sie sich geirrt. Ich steh total auf diese Kurven, und es ist ihr gelungen, hier oben auf dem wirklich nicht sonderlich schön bebauten Kronplatz eine Landmark zu setzen. So etwas wie eine neue Messlatte für nachhaltigen, hochwertigen Tourismus im alpinen Raum. Da muss man dann schon akzeptieren, dass es mitunter weniger gerade Wände und weniger rechte Winkel gibt, als ausgemacht war."

Kaum bespielbar

Eigentlich, sagt er dann nach einer kurzen Pause, sei die Hülle von Hadid kaum bespielbar. Und eigentlich sei das alles nur möglich gewesen, weil er sich anzupassen wusste. Und trotzdem: "Man hätte fast verzweifeln können. Ich habe noch nie so viele weiße Haare bekommen wie gegen Ende dieses Projekts."

In den Vitrinen, die sich mit gewölbten Gläsern an die Kubatur der betonierten Innenräume anpassen, liegen Steigeisen, Pickel, Hammer, Helme, Sicherungsseile und Nagelschuhe aus dem Jahr 1937, alles genussvoll hinuntergekühlt auf konstante 18 Grad Celsius. Historische Schwarz-Weiß-Fotografien und kleinere und größere Gemälde bezeugen den Alpinismus, der laut Messner vor 250 Jahren seinen Anfang genommen hat. Man möchte sich mit diesen Exponaten, die mal hübsch präsentiert, mal jedoch mit Gewalt hineingepfercht scheinen, kaum auseinandersetzen.

Lieber schaut man hinaus in die Natur, die sich am Ende der drei Betonfinger hinter den dreifach verglasten Panoramagläsern dramatisch gebärdet. Der Blick reicht zum Ortler, zum Marmolada-Gletscher, zu den Lienzer Dolomiten. "Den Blick auf diese Berge, die mir so viel bedeuten, hat man eigentlich von überall auf dem Kronplatz", erzählt Reinhold Messner. Zwischen Locken und Bart blitzt in seinen Augen jetzt endlich ein leidenschaftliches Funkeln auf. Aber auf diese Art und Weise gerahmt und inszeniert, das sei schon was Besonderes.

Ausgespülte Gletscherhöhle

"Wir wollten viel weniger Bilder hängen und haben mit Erstaunen festgestellt, wie viel die Wände nun aushalten müssen", meint Peter Irmscher, Projektleiter im Londoner Hadid-Headquarter, im Gespräch mit dem Standard. "Andererseits ... Sie halten es schon aus! Reinhold Messners Welt, das sind Naturräume, die sich auch nicht immer an alle Gesetze halten, die einem Ehrgeiz, Improvisation und Überlebenstrieb abverlangen. So gesehen sind auch diese Räume eine gewisse Herausforderung. Und das ist gut so."

Die geschmeidigen, grau eingefärbten Wände im Innenraum, das so typische Fugenbild der vier Zentimeter dicken sogenannten Ceton-Platten mit eingegossenen Aluminiumwaben und Kohlefasermatten, 200 Stück an der Zahl, und keine zwei gleich, die sich um den kurvigen Bau schmiegen, diese hier geschaffene ausgespülte Gletscherhöhle, sagt Irmscher, "das ist ein Raumerlebnis, das ist wie eine heterogene und immer wieder dramatische Landschaft, mit der Reinhold Messner und seine Kuratoren nun zurande kommen müssen."

Reinhold Messner: "Ich habe alle 14 Achttausender geschafft. Das ist mein fünfzehnter." (Wojciech Czaja, 15.8.2015)