Für die meisten Schlangenbisse in Mittel- und Südamerika ist die Terciopelo-Lanzenotter (Bothrops asper) verantwortlich. Wie häufig Menschen von ihr gebissen werden, hängt vor allem auch vom Wetter ab.

Foto: Davinia Beneyto

Berlin/Nagasaki – Opfer eines Schlangenbisses zu werden ist offenbar auch eine Frage der Wetterlage: Ein Forscherteam hat die Bissraten im zentralamerikanischen Costa Rica genauer unter die Lupe genommen und dabei beobachtete, dass Extremwetterlagen dazu führen können, dass Menschen häufiger von Schlangen gebissen werden. Ungewöhnlich viele Fälle treten demnach sowohl in den heißen als auch in den kalten Phasen des Wetterphänomens El Nino auf.

Die Forscher um Luis Fernando Charles von der Nagasaki Universität (Japan) werteten Zahlen des Gesundheitsministeriums in Costa Rica zu Schlangenbissen von Jänner 2005 bis Dezember 2013 aus. Sie sind dort meldepflichtig. Die meisten Bisse gehen demnach auf Bothrops asper zurück, die Terciopelo-Lanzenotter.

Für die Studie verglich das Team die Daten mit Wetterschwankungen: "Schlangen sind wechselwarme Tiere. Ihre Körpertemperatur, Verbreitung, Bewegung und ihre Gewohnheiten bei der Futtersuche ändern sich deswegen, wenn das Wetter wechselt", erklären die Wissenschafter.

Während El Nino treiben Winde feuchte Luft nicht wie sonst nach Australien und Südostasien, sondern vermehrt nach Osten – an die amerikanische Westküste. Gleichzeitig bleibt dort das kalte Wasser aus der Südpolarregion aus.

Kälte zieht Schlangen in besiedelte Gebiete

Doch warum schnappen die Schlangen vor allem bei großer Hitze und Kälte zu? Während der heißen Phase des El Nino seien Schlangen aktiver, erklären die Experten. Die Folge: Mehr Menschen werden gebissen. Bei großer Kälte hingegen gehe den Tieren das Futter aus. Zur Jagd müssten sie dann in andere Gebiete ausweichen – wo sie eher mit Menschen in Kontakt kommen und es mehr Bissopfer gibt, berichten die Forscher im Fachjournal "Science Advances".

"Schlangenbisse sollten in die Liste der Krankheiten und Gesundheitsgefahren aufgenommen werden, die empfindlich auf Veränderungen der Umwelt reagieren", so die Wissenschafter.

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge werden jährlich etwa fünf Millionen Menschen von Schlangen gebissen – mindestens 100.000 sterben an dem Gift. Die meisten Fälle treten demnach in Afrika, Asien und Lateinamerika auf. Die WHO stuft Schlangenbisse als "vernachlässigtes öffentliches Gesundheitsproblem" ein.

Das Thema gewinnt auch wegen einer drohenden Knappheit des wichtigsten Gegengifts, das bei Bissen verabreicht wird, an Bedeutung. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen sprach jüngst von "einer echten Krise". Demnach erreichen die letzten Bestände des Medikamentes Fav-Afrique im Juni 2016 ihr Verfallsdatum. Der Hersteller hat die Produktion im vergangenen Jahr eingestellt.

Ärzte ohne Grenzen zufolge fehlt dann mindestens zwei weitere Jahre lang ein Ersatzprodukt für Fav-Afrique, das gegen das Gift von zehn Schlangenarten – darunter Kobra und Mamba – wirkt. (APA/red, 11.9.2015)