Thomas D. Trummer hat im Kunsthaus Bregenz haltgemacht. Seine Mietwohnung am Pfänderhang bietet, was ihm beim Wohnen am wichtigsten ist, erzählte er Jutta Berger: Blickentfaltung und Fernsicht.

"Wohnen selbst ist für mich nicht so wichtig, ich bin weder ein Vertreter des Designs, noch gehöre ich zu den Fangruppen des Dekors. Wohnen ist für mich eher ein bequemes Basislager, ein Fixpunkt im Nomadischen. Ich bin viel unterwegs und liebe es, auf vertrauten Flughäfen und Bahnhöfen zu sein. In Flugzeugen, an Haltestellen und in anderen Nichträumen bin ich produktiver als im Büro. Diese Entwicklung zur Kabinenexistenz hat etwas mit meiner Sozialisierung in der Moderne zu tun. Beim Wohnen ergibt sich daraus eine bedenkliche Nachlässigkeit.

Für Thomas D. Trummer sind weder Design noch Dekor wichtig. Der Gussofen aus der Spätrenaissance bringt ihn aber doch zum Schwärmen: "Zweifellos ein antiquarisches Juwel." (Bildansicht durch Klick vergrößern)
Foto: Darko Todorovic

Vieles richtet sich nach außen, in die Weite, wie aus dem Bullauge. Meine ideale Wohnung hat ein Außendesign. Damit meine ich das Bild, das sich aus den Fenstern bietet. Der Fernblick ist für mich das wichtigste Kriterium bei der Wohnungssuche. In Mainz haben wir in einem Hochhaus aus den 1950er-Jahren gewohnt, mit Blick in Cinemascope. Sonnenuntergänge orange, violett, dramatisch. Jeden Tag war Doktor Schiwago. Das grandiose Schauspiel am Himmel war allerdings der immensen Luftverschmutzung und dem Verkehr am nahen Frankfurter Flughafen geschuldet: kein Abend ohne Kerosindämmerung.

War Mainz Kino, ist Bregenz wie Capri. Wir bewohnen ein Stockwerk in einem Ansitz aus dem 15. Jahrhundert am Bergisel. Die Wohnung hat Fenster in alle Himmelsrichtungen. Mit Capri meine ich den Blick nach Westen über den Bodensee. Die Sonne geht über dem Wasser unter, es spiegelt, glänzt und blitzt. Bei all der bildschönen Natur stellt sich die Frage, ob es noch Authentisches ohne Prüfsiegel gibt. Denn es ist ja so, als würde der Bodensee bestätigen, was wir über die Medien kennen, nicht umgekehrt. Ungeachtet dessen: Was ich hier besonders mag, ist die Luft. Jeden Morgen, wenn ich zum Kunsthaus gehe, lasse ich mich von der kühlen Brise, die vom Berg herabstreicht, durchlüften. Im Fallwind wird der Körper zum Segel.

Zum ersten Mal haben wir nur einen Wohnsitz. Wer zwei Wohnungen bewohnt, schaut, dass das Mobiliar günstig ist. So kommt die Essgruppe aus dem Secondhandladen der Caritas. Ein ausrangierter Vorstandssessel von Siemens begleitet uns schon seit unserer Zeit in München. Der Sessel war gut in der 50er-Jahre-Wohnung, hier steht er komplett verloren, ist wie ein strafversetztes Souvenir.

Bei jedem Umzug stellt sich die Frage nach dem Kommenden und dem, was bisher geschah: Was nehm ich mit, was werf ich weg? Dann kommt das Aussortieren. Es gibt Dinge mit Bedeutung und Dinge, die wenig oder gar keine Bedeutung haben und trotzdem nicht entsorgt werden wollen. Die sind die interessanten, weil sie ungelöste Geschichten erzählen. In Mainz habe ich Künstler gebeten, aus ähnlichen Dingen eine Installation zu bauen. Am Ende stand eine kuriose Kartoninsel aus 111 Erinnerungsstücken im Büro. Als ich wegzog, hab ich sie dem Land Rheinland-Pfalz vermacht.

Bücher sind ein Problem. Einerseits braucht man sie, aber optisch sind sie eine Katastrophe: Da hat man eine Wand, und die ist vielfarbig und zerfleddert von Titeln, Texten, Formaten und Farben. Das hätte ich gerne ruhiger. Hier an diese schiefen alten Wände lässt sich nichts stellen. Außerdem will ich dem Baby nicht mit Büchern den Platz verbauen. So hab ich ein paar Tausend kürzlich der Uni Graz geschenkt. Der Rest fristet ein Kistendasein.

Kunstwerke gibt es hier ebenfalls wenige. Privat sammle ich nicht, das geht gegen das Ethos. Aber es liegen vereinzelt Stücke von Künstlern und Projekten herum, an die ich mich gerne erinnere. Fußnoten von Sentiment im häuslichen Zelt." (28.9.2015)