1951 besuchte der israelische Ministerpräsident Ben-Gurion Einstein in Princeton. Im Jahr darauf bot er ihm an, Präsident Israels zu werden.

Wien – "Dieses Resultat ist eine der größten Errungenschaften des menschlichen Denkens." So kommentierte der Präsident der Royal Society, Joseph John Thomson, die experimentelle Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie im Mai 1919. Albert Einstein, bis dahin nur in wissenschaftlichen Fachkreisen bekannt, wurde über Nacht zum weltweit gefeierten Superstar.

Den internationalen Medien erschien der pazifistische, kosmopolitische Physikprofessor samt seinem unkonventionellen Auftreten wie ein bunter Regenbogen über den trostlosen Trümmern des großen Krieges, der jahrelang die Berichterstattung allerorts dominiert hatte. Er ließ es sich gefallen und, mehr noch, wusste seine plötzliche Bekanntheit zu nutzen – auch politisch.

"Undeutsche Wissenschaft"

Doch auch eine andere Entwicklung ging mit Einsteins wachsender Popularität und der allgemeinen wissenschaftlichen Akzeptanz seiner physikalischen Revolution immer deutlicher einher: antisemitisch geprägte Angriffe auf seine Person und Arbeit. Ihren Höhepunkt sollten die Diffamierungen in der Hetze der nationalsozialistisch geprägten selbsternannten "Deutschen Physik" finden, die die moderne theoretische Physik als jüdisch und "undeutsch" ablehnte und stattdessen von einer "reinrassigen arischen" Wissenschaft fantasierte.

Prominente Vertreter dieser antisemitischen Gruppierung waren die Physiknobelpreisträger Phillip Lenard und Johannes Stark. Insbesondere Lenard, für seine Arbeiten zum Fotoelektrischen Effekt von Einstein ehemals hoch verehrt, tat sich gegen die Relativitätstheorie hervor – zunächst noch ohne eindeutig antisemitische Untertöne. Das änderte sich spätestens nach der berühmten Bad-Nauheim-Debatte im September 1920, bei der es zu einem offenen Rededuell zwischen den beiden Kontrahenten und tumultartigen Szenen im Publikum kam.

Verhasster Militarismus

Welch geifernde Besessenheit Lenard im Lauf der Jahre entwickelte, zeigt beispielhaft sein Artikel im "Völkischen Beobachter" vom 13. 5. 1933, in dem er freudig verkündete, "dass der Relativitätsjude, dessen mathematisch zusammengestoppelte Theorie (...) nun schon allmählich in Stücke zerfällt", Deutschland endlich verlassen habe.

Nicht zum ersten Mal hatte Einstein Deutschland den Rücken gekehrt. Der Sohn einer assimilierten jüdischen Mittelstandsfamilie hatte Antisemitismus schon in seiner Schulzeit in München zu spüren bekommen. Nationalismus, Militarismus und die Autoritätshörigkeit der deutschen Gesellschaft waren ihm schon in jungen Jahren so verhasst, dass er als 19-Jähriger die deutsche Staatsbürgerschaft ablegte und das Land vermeintlich für immer verließ.

Identitätsfindung

Das Judentum spielte für ihn in den folgenden Jahren schlichtweg keine Rolle. Er betrachtete sich als konfessionslos und lehnte Glaubensvorschriften jedweder Religion als rückwärtsgewandt ab. Als er ausgerechnet 1914 doch nach Deutschland zurückkehrte und nach der allgemeinen Kriegseuphorie in den folgenden Jahren auch das Erstarken des Antisemitismus verspürte, nahm diese Haltung und sein Bekenntnis zur eigenen jüdischen Identität eine bedeutende Wendung. Er fühlte sich als Jude und wurde Zionist.

Das Angebot, an der Preußischen Akademie der Wissenschaften ohne weitere Verpflichtungen an der Allgemeinen Relativitätstheorie zu arbeiten, kam ihm nicht nur finanziell, sondern auch privat gelegen: Er konnte seiner Cousine und späteren zweiten Frau Elsa Löwenthal nahe sein.

Während die Berliner Jahre vor allem anfangs für Einsteins Arbeit sehr fruchtbar waren, fühlte er sich geistig in der nationalistischen Kriegsgesellschaft zunehmend isoliert. Das Leid der osteuropäischen Juden, die vor Pogromen in den Westen flohen, und die aufgeheizte Stimmung gegen sie berührten ihn – und weckten ein Gefühl der Verantwortung. Als er seine Vorlesungen kostenlos für Flüchtlinge öffnete, randalierten antisemitische Studenten.

"Erst als ich nach Deutschland kam, entdeckte ich, dass ich Jude sei"

"Als ich vor 15 Jahren nach Deutschland kam, entdeckte ich erst, dass ich Jude sei, und diese Entdeckung wurde mehr durch Nichtjuden als durch Juden vermittelt", erinnerte er sich rückblickend. Aus dieser Zeit stammen auch seine ersten gesicherten Kontakte zu zionistischen Organisationen, sagt Ze'ev Rosenkranz, Vizedirektor des Einstein Papers Projects am California Institute of Technology in Pasadena und Autor des Buches "Einstein before Israel", zum STANDARD.

Die zionistische Bewegung war erpicht darauf, Persönlichkeiten wie Einstein auf ihrer Seite zu haben. Freilich teilte der Physiker, der Nationalismus zutiefst verabscheute, nicht alle Ziele der Bewegung gleichermaßen: Ihm schwebte vielmehr ein kultureller Zionismus vor als ein politischer. Palästina sollte, in friedlicher Koexistenz mit den Arabern, ein sicherer Hafen für die verfolgten Juden der Welt werden und der Diaspora als Symbol jüdischer Einheit zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen.

Heilsames Selbstbewusstsein

"Ich erachte die Hebung des jüdischen Selbstbewusstseins auch im Interesse eines natürlichen Zusammenlebens mit den Nichtjuden für förderlich. Das war das Hauptmotiv meines Anschlusses an die zionistische Bewegung", schrieb Einstein im Juni 1921 in seinem Essay "Wie ich Zionist wurde". Die Gründung eines jüdischen Nationalstaates war nie sein vordergründiges Anliegen.

Seine zionistische Vision kreiste um ein anderes Ziel: die Errichtung einer jüdischen Forschungs- und Bildungsinstitution von internationalem Rang – die Hebräische Universität. Auch wenn seine Haltung teils auf Gegenwind innerhalb der zionistischen Bewegung stieß, wollte niemand auf Einstein verzichten.

Für Rosenkranz ist klar: Man benutzte sich gegenseitig für die jeweiligen Ziele. Und so verwendete Einstein bereitwillig seinen prominenten Namen, etwa als er 1921 mit dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation und späteren Staatspräsidenten Israels, Chaim Weizmann, seine erste USA-Reise unternahm – zu Fundraisingzwecken für die Uni.

Ambivalentes Verhältnis

Als Einstein 1923 schließlich Palästina besuchte, zeigte er sich tief beeindruckt von der Aufbauarbeit der jüdischen Siedler. Euphorisch hielt er eine Rede am Mount Scopus, wo zwei Jahre später tatsächlich die Hebräische Universität eröffnet werden sollte.

Einstein wurde Präsident des Kuratoriums der Uni und blieb ihr, zumindest formal, sein Leben lang verbunden. Ihr vermachte er auch seinen schriftlichen Nachlass. Interne Streitigkeiten über ihre Ausrichtung verdunkelten sein Verhältnis zu der Institution aber lange Zeit. Und tatsächlich sah er sie niemals von innen: Nach 1923 kehrte er nie wieder zurück.

Daran änderte auch das Angebot des israelischen Ministerpräsidenten David Ben-Gurion nach dem Tod Weizmanns 1952 nichts: Er fragte Einstein, ob er der nächste Präsident des jungen Staates Israel werden wolle. Dessen höfliche Absage: "All my life I have dealt with objective matters, hence I lack both the natural aptitude and the experience to deal properly with people and to exercise official functions." (David Rennert, 9.10.2015)