Bild nicht mehr verfügbar.

Durch den Gravitationslinseneffekt können weit entfernte Galaxien registriert werden. Im Bild: ein Teil der Großen Magellanschen Wolke.

Foto: APA/EPA/Esa/Nasa/Hubble

Wien – Manchmal reicht eine flüchtige Rückschau in die Geschichte, um Regeln, die auf den ersten Blick unumstößlich erscheinen, zu relativieren. Während sich das Peer-Review-System mittlerweile weltweit als dominantes Instrument der Forschungsförderung durchgesetzt hat, fand Albert Einstein das Verfahren, von Kollegen anonym begutachtet zu werden, weniger selbstverständlich – und schon gar nicht begrüßenswert.

Anonymes Gutachten

Besonders deutlich zeigt sich das an einer Arbeit zu Gravitationswellen: Nicht lange nach seinem Umzug in die USA 1933 reichte Einstein ein Paper mit seinem Kollegen Nathan Rosen bei der Zeitschrift "Physical Review" ein, in dem er die Existenz von Gravitationswellen bestritt. In Deutschland war das Peer-Review-Verfahren zu dieser Zeit noch nicht üblich, und so fiel Einstein aus allen Wolken, als er ein anonymes Gutachten zu seiner Arbeit zugesandt bekam – das noch dazu zu gegenteiliger Aussage kam.

Was Einstein dem Herausgeber der Zeitschrift zurückschrieb, scheint im heutigen Wissenschaftsbetrieb undenkbar: "We (Mr. Rosen and I) had sent you our manuscript for publication and had not authorized you to show it to specialists before it is printed. I see no reason to address the – in any case erroneous – comments of your anonymous expert. On the basis of this incident I prefer to publish the paper elsewhere."

Weder überarbeite Einstein die Arbeit, noch reichte er je wieder ein Paper bei Physical Review ein – auch wenn er später erkannte, dass der Reviewer recht behalten sollte und Gravitationswellen existieren. Bis heute beschäftigen Gravitationswellen die Forschung. Obwohl sie als gesichert gelten, konnten sie bisher nur indirekt nachgewiesen werden.

Ablenkung von Lichtstrahlen

Nicht nur angesichts der Gravitationswellen ist Einsteins Theorie so relevant wie vor 100 Jahren. "Wir haben immer mehr erkannt, wie relevant sie eigentlich ist", sagt Wolfgang Baumjohann, Direktor des Instituts für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften. Im Gegensatz zur Quantenmechanik gibt es kaum Anwendungen der Allgemeinen Relativitätstheorie auf der Erde. Lediglich für Technologien, die mit weltraumgestützten Daten arbeiten, wie das Global Positioning System (GPS), muss die Theorie berücksichtigt werden.

Umso wesentlicher ist die Theorie aber für die Weltraumforschung. Eine ihrer wichtigsten Anwendungen in der Astrophysik ist der sogenannte Gravitationslinseneffekt: Indem Lichtstrahlen durch schwere Massen abgelenkt werden, wirkt die Gravitationskraft ähnlich wie eine Linse. Dadurch können Objekte beobachtet werden, die sonst nicht hell genug wären, wie weit entfernte Galaxien. Auch beim Gravitationslinseneffekt ist Einstein zunächst zu einer Fehleinschätzung gekommen (siehe "Einsteins Fehler").

Die physikalische Realität von Schwarzen Löchern bestritt Einstein bis an sein Lebensende. Heute gelten sie als gesichert. Außerdem beschäftigen mit Dunkler Materie und Dunkler Energie zwei weitere Phänomene die heutige Physik, bei denen die Allgemeine Relativitätstheorie eine wichtige Rolle spielt. Im Gegensatz zu Dunkler Materie, die eine Gravitationskraft ausübt, wirkt Dunkle Energie der Gravitationskraft entgegen – sie hat daher direkte Konsequenzen dafür, wie die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie zu interpretieren sind.

Auch die aktuell wichtigste offene Frage der Physik geht unmittelbar auf die Allgemeine Relativitätstheorie zurück, nämlich wie sie mit der zweiten großen Theorie der modernen Physik, der Quantenmechanik, vereint werden kann. Bereits 1916 hat sich Einstein dazu geäußert, konnte aber bis an sein Lebensende keine vereinheitlichte Theorie finden. Die Suche danach treibt die Physiker bis heute um. (Tanja Traxler, 12.10.2015)