Ankara – Vor der Parlamentswahl in der Türkei haben die Sicherheitskräfte ihre Zwangsmaßnahmen gegen den Medienkonzern Koza-Ipek ausgeweitet: Die Zeitungen "Bugün" und "Millet" konnten am Donnerstag nicht erscheinen. "Bugün"-Chefredakteur Erhan Basyurt sagte im Fernsehen, ihm sei ein "schriftliches Verbot" der Veröffentlichung vorgelegt worden. "Millet" verbreitete über Twitter die geplante Titelseite der Donnerstagsausgabe, einen blutverschmierten Presseausweis unter dem Titel "Ein blutiger Putsch".

Der Einsatz gegen den Medienkonzern begann am Mittwoch damit, dass die Polizei in Istanbul vor laufenden Kameras die Kontrolle über zwei regierungskritische Fernsehsender übernahm. Präsident Recep Tayyip Erdogan rechtfertigte dies am Abend im Fernsehen damit, dass Koza-Ipek-Chef Akin Ipek ins Ausland "geflüchtet" sei. Wenn es stimme, dass es "keine Unregelmäßigkeiten" gebe, wie Ipek das behaupte, dann müsse er "in seinem Land bleiben", verlangte Erdogan.

Verbindung zu Fethullah Gülen

Die Justiz hatte das Unternehmen am Montag unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Staatsanwaltschaft begründete dies mit dem Verdacht der "Terrorfinanzierung" und "Propaganda". Der Koza-Ipek-Konzern, der auch im Bergbau und im Energiesektor aktiv ist, steht der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen nahe. Gülen, ein ehemaliger Unterstützer von Erdogan, hatte sich vor zwei Jahren mit der islamisch-konservativen Regierung überworfen. Seitdem wirft Erdogan dem in den USA lebenden Gülen einen Umsturzversuch vor. Gülen weist die Anschuldigungen zurück.

In der Türkei ist das politische Klima seit Monaten extrem aufgeheizt, am Sonntag wird ein neues Parlament gewählt. In diesem Umfeld war am 10. Oktober ein Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara verübt worden, bei dem 102 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt wurden. (APA, 29.10.2015)