Bei der Trüffeljagd muss man schnell sein. Der Hund frisst den Pilz sonst, bevor ihn das Herrl ausgraben kann.

Foto: istockphoto

Je brauner das Innere der weißen Trüffel, desto aromatischer ist sie.

Foto: istockphoto

Wenn es Anfang November endlich kalt, nass und nebelig wird, beginnt Ivica Tikels liebste Zeit des Jahres. Im Weingarten gibt es keine Arbeit mehr, die Olivenbäume sind abgeerntet, und auch am Abend kommen kaum Gäste mehr in seinen Heurigen, die er bewirten müsste. Nun hat er endlich Zeit für seine Lieblingsbeschäftigung: die Jagd. Doch es sind nicht nur Wildschweine und Rehe, denen er nachstellt. Viel öfter geht Tikel auf die Trüffeljagd.

Etwa dreißig Minuten von seinem Hof entfernt beginnt der Wald von Motovun, von seiner Terrasse aus können ihn Gäste sogar sehen. Der Wald, ein schlammiges Dickicht aus Haselsträuchern und Eichen, gleich neben dem Fluss Mirna, ist einer von drei Orten der Welt, an denen der begehrteste weil köstlichste aller Pilze wächst: Tuber Magnatum Pico, die weiße Trüffel.

Atemberaubend gut

Eine frische weiße Trüffel gehört zum Köstlichsten, das die Natur hervorgebracht hat. Ihr Aroma und ihr Geschmack sind schwer zu beschreiben: eine unwahrscheinliche Melange irgendwo zwischen Champignons, Haselnüssen und einem Hauch Knoblauch und Moder – auf jeden Fall aber viel mehr als die Summe dieser Teile und, richtig dosiert, atemberaubend gut. In Istrien wächst sie im Herbst und im frühen Winter, die Saison dauert von Mitte September bis kurz nach Weihnachten.

Zwar findet der berühmte Trüffelmarkt der Gegend, in Livade, beim Großhändler und Trüffelbaron Zigante, bereits im Oktober statt – das liegt aber bloß daran, dass dann das Wetter noch touristenfreundlicher ist. "Die Trüffeln in dieser Zeit riechen meist nicht nach viel und verlieren nach ein, zwei Tagen ihren Geschmack", sagt Tikel. So richtig gut werden die Pilze erst Ende November, Anfang Dezember.

Zu Beginn der Saison wächst die Knolle ganz nah an der Oberfläche, teilweise schaut sie sogar heraus. Die Trüffelhunde, mit denen Trüffeljäger wie Ivica auf die Jagd gehen, müssen nicht erst graben, um an den Pilz zu kommen, und fressen ihn daher oft selbst auf, bevor der Trüffeljäger zur Stelle ist. Erst wenn der Frost sie tiefer in den Boden treibt, bis zu einem halben Meter, entwickelt sie ihr volles Aroma.

Farbe versus Aroma

Manche Trüffelköche und -jäger meinen, dass die Farbe Auskunft gibt über die Qualität der Knolle: Die weiße Trüffel darf innen nicht zu weiß sein, ein eher sattbraunes Fleisch verspricht demnach den besten Geschmack. Der sicherste Hinweis auf gute Ware aber ist der Geruch: "Wintertrüffeln haben das intensivste Aroma – wenn jemand sie herausholt, merken Sie das sofort. Und wenn Sie nur eine davon über Nacht in den Kühlschrank legen, dann schmeckt alles darin – Eier, Butter, Milch – am nächsten Tag nach Trüffeln", sagt Tikel. Ein Traum für jeden Trüffelliebhaber.

Die Trüffel macht so ziemlich alles besser, was mit ihr in Berührung kommt – von Pasta über Ei, Wildschwein bis hin zu Schokolade. Weil sie aber bereits selbst so unfassbar gut ist, ist ihr in der Küche idealerweise nicht viel hinzuzufügen. In nicht zu knapper Menge hauchdünn über Pljukanci, hausgemachte istrische Schupfnudeln, gehobelt, nur unterstützt von etwas Butter, Obers und Hartkäse, gehört sie zu den größten kulinarischen Genüssen, die Geld kaufen kann.

Am besten in kleinen Konobas genießen

Selbst hier, direkt an der Trüffelquelle, sind die Pilze aber kein günstiges Vergnügen: Je nach Größe, Jahr und Trüffelernte kosten weiße Trüffeln bei den Großhändlern zwischen 1.000 und 5.000 Euro pro Kilo. Umso wichtiger ist es für den weniger betuchten Connaisseur, sie nicht in edlen Restaurants, sondern in den kleinen Konobas oder gleich bei den Trüffeljägern selbst zu verspeisen. Ein Teller Trüffelpasta bei Ivica etwa kostet etwa 15 bis 20 Euro. Das spart Geld und hat den Vorteil, dass man auf dem Weg zu den versteckten Bauernhöfen durch die herbstliche istrische Landschaft fährt: Nie sehen Olivenhaine und mittelalterliche Dörfer auf Hügeln besser aus, als wenn Nebelschwaden sie umwehen und gelb-rote Blätter den Boden bedecken.

Auch abseits der Trüffel gibt es gute Gründe, Istrien im Winter zu besuchen. Wenn der Herbst und das gute Wetter enden, wird auf den Bauernhöfen geschlachtet und endlich wieder frische Wurst gemacht. Die Winzer der Gegend haben viel mehr Zeit, um mit Besuchern Verkostungen zu machen; und das kalte Meer sorgt dafür, dass viele Meeresfrüchte und Fische noch viel besser schmecken. Manche Köstlichkeiten, wie etwa frische Krebse (Saison im Dezember) und Seeigel (Jänner), sind nur im Winter zu bekommen. (Tobias Müller, RONDO Feinkost, 28.11.2015)

>> Alles ist gut: Kulinarik-Hotspots in Istrien