Einer der unerfüllten Träume von Kinect: "Milo & Kate".

Foto: Microsoft / Youtube

Zumindest eine kurze Zeit lang schien es so, als würde Microsoft mit der Bewegungssteuerung Kinect die Spielwelt revolutionieren. Fünf Jahre nach dem Marktstart ist das einst mit hunderten Millionen Dollar beworbene Peripheriegerät praktisch von der Bildfläche verschwunden. Nach dem blitzartigen Erfolg auf der Xbox 360 galt Kinect zunächst sogar noch als zentraler Bestandteil der Xbox One. Heute werden die allermeisten Xbox-Konsolen ohne Kinect verkauft und weder bekannte Spiele noch die jüngste Dashboard-Version unterstützen die Gestensteuerung.

Dass es zu diesem raschen und unrühmlichen Ende von Kinect kam, hat viele Gründe. Zwei der ehemals wichtigsten Spielentwickler für das Projekt zufolge dürfte eines der größten Probleme gewesen sein, dass Microsoft den Spielern schlicht mehr versprach, als tatsächlich möglich war und sich dabei stark von den Konzepten der Wii leiten ließ.

Limitierungen

"Viele Dinge wurden mit der Zeit verbessert. es war nur schwer herauszufinden, welche", erinnert sich Chris Sutherland, ein ehemaliger langjähriger Entwickler von Microsofts Studio Rare in einem Interview mit Eurogamer. Einige Monate vor der Erstvorstellung unter dem Arbeitstitel "Project Natal" waren Sutherland und seine Kollegen damit beauftragt worden, Spielkonzepte zu kreieren. Und bereits damals zeigten sich – trotz vielversprechender Ideen und der allgemeinen Aufbruchsstimmung – die Limitierungen der Technologie.

Doch anstatt auf Nummer sicher zu gehen, versprachen die Xbox-Chefs zur Enthüllung von Project Natal den Zusehern der E3-Pressekonferenz sprichwörtlich das Blaue vom Himmel. Man zeigte in Promovideos, wie man künftig sein Skateboard einscannen und Kung-Fu-Duelle mit virtuellen Gegnern austragen können würde. Und wie die ganze Familie als Racing-Crew agieren werde. "Jeder dachte sich: 'Oh, so wird das also aussehen!'", sagt Gavin Price, der nach Rare nun zusammen mit Sutherland das Studio Playtonic leitet. "Und wir haben uns das angesehen und gedacht: 'Wird es wirklich so aussehen?'".

Andru Edwards

"Wii Sports"-Klon

Tatsächlich waren die realen Kinect-Games schlussendlich doch recht weit von dem entfernt, was die ersten Werbungen versprachen. Das hatte den Entwicklern zufolge einerseits damit zu tun, dass das Produkt technisch nicht so weit war und der Mensch als Controller doch komplexer war, als zunächst angenommen. Jeder Mensch ist anders und bewegt sich anders. Und, um dem Latenz-Problem entgegenzuwirken, wandten Spielhersteller allerlei Kniffe an, um Gesten vorherzusehen.

Auf der anderen Seite wurden viele Ideen letztendlich von Managementebene verworfen, da man sich stark von den Erfolgsprojekten Nintendos Wii leiten ließ. Kinect Sports etwa wurde zuerst als komplexere Sportsimulation namens "Sports Star" konzipiert, mit einer Bewegungssteuerung, die weit über die Möglichkeiten der Wii hinausgingen. "Doch ich erinnere mich, dass uns dann das Feedback von Don Matrick erreichte: 'Nein, gebt uns einfach 'Wii Sports' mit Kinect'. Also ja, intern betrachtet war Kinect sehr wohl eine Reaktion auf den Erfolg der Wii", so Price.

Chance für Rare

Während Kinect langfristig gesehen scheiterte, räumen Sutherland und Price mit einem unter Fans lange propagierten Missverständnis zur Rolle von Rare auf. Vermutet wurde, dass das mit "Goldeneye 007" und "Banjo-Kazooie" bekannt gewordene Studio von Microsoft in die Rolle des führenden Kinect-Spielherstellers gezwängt wurde. Und Price zufolge wäre es für die Fans des Studios zwar bestimmt besser gewesen, nebenbei auch einige klassische Franchises zu bedienen, doch sich voll auf Kinect zu stürzen, sei in erster Linie eine Entscheidung des Rare-Managements gewesen. "Phil Spencer (Anm.: der Xbox-Chef) sagte zu den Rare-Leuten immer: 'Tut, was ihr wollt, und wir unterstützen euch'. Und zu dieser Zeit war es Rares Management, die sagte: 'Nun, Kinect ist eine großartige Chance für das Studio – setzten wir alles darauf." (zw, 17.12.2015)