Sollte es nicht im Interesse des Ministeriums liegen, die Beschäftigungsquote von Frauen allgemein und von Müttern im Speziellen zu erhöhen? Im Bild ein Sujet der Image-Kampagne, erschienen vergangenen Samstag in den "Salzburger Nachrichten".

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Das Bundesministerium für Familien und Jugend wirbt mit einer "Dank dir"-Kampagne, Österreich soll "eine große Zukunft" haben. Da heißt es in einem Sujet: "Dank dir wurde ich von der Vorstandssprecherin zur Mutter. Und das sehe ich auch heute noch als Beförderung." Doch warum vermittelt das Ministerium nicht Botschaften wie "Dank aufgeteilter Karenzzeiten und leistbarer Betreuungseinrichtungen bin ich nun Vorstandssprecherin und Mutter"? In einem offenen Brief an das Bundesministerium für Familien und Jugend stellt Soziologin Laura Wiesböck vier Fragen.

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1. Warum macht das Bundesministerium eine Kampagne, die Frauen den Ausstieg aus dem Berufsleben attraktiv machen soll?

Sollte es nicht im Interesse des Ministeriums liegen, die Beschäftigungsquote von Frauen allgemein und von Müttern im Speziellen zu erhöhen? Dass die Geburt eines Kindes bei Frauen – im Gegensatz zu Männern – zu einer deutlichen Reduzierung der Erwerbsbeteiligung führt, wird in vielen Ländern als Problem behandelt, das es systematisch zu beheben gilt. Eine Kampagne des Familienministeriums, die die Entscheidung der Frau für die Familiengründung und gegen eine erfolgreiche Berufstätigkeit promotet, mutet in diesem Kontext doch mehr als merkwürdig an.

2. Warum investieren Sie Ihr Budget statt in Imagekampagnen, die Berufstätigkeit und Mutterschaft gegeneinander ausspielen, nicht in Infrastruktur, die Berufstätigkeit und Mutterschaft ermöglicht?

Anstatt Geld in Imagekampagnen zu investieren, um Frauen traditionelle Rollenbilder zu promoten und die Rolle der Männer in Familienfragen außen vor zu lassen, würde man sich von einer Ministerin erwarten, Handlungen zu setzen und einbetonierte Strukturen aufzubrechen. Da Kinderbetreuung in Österreich Ländersache ist, würde das auch bedeuten, in den einzelnen Bundesländern unangenehme Diskussionen zu führen, vielleicht auch mit Personen aus der eigenen Partei.

Welche Maßnahmen für die Vereinbarkeit erforderlich sind, ist ja kein Geheimnis. Dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen größeren Angeboten an frühkindlichen Betreuungsplätzen und dem steigenden Erwerbsverhalten von Müttern gibt, ist nachgewiesen. Das gilt insbesondere für Krippen- und Ganztagsbetreuungsplätze und wäre vor allem im ländlichen Raum wichtig. Der Ausbau von Landeskindergärten entlastet Mütter nur bedingt, wenn es keine Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren und kaum Väterkarenz gibt. Es bräuchte also neben Betreuungsplätzen auch echte Akzente für eine Partizipation von Männern an der Elternkarenz, die dann auch tatsächlich Richtung Gleichstellung wirken.

3. Warum vermittelt das österreichische Familienministerium im Jahr 2016 das Bild der Kinderbetreuung als alleiniger Aufgabe der Mutter?

Im Sinne der Gleichstellung der Geschlechter sind zugeschriebene traditionelle Rollen, dass Frauen Heim, Familie und die sorgenden Beziehungen gestalten, während Männer die gesellschaftlichen Machtbeziehungen in der Sphäre der Ökonomie und Politik einnehmen, abzulehnen. Dass Frauen nach und nach Teil der Öffentlichkeit werden und – wenn auch bisher in zu geringem Ausmaß – in berufliche Macht- und Gestaltungspositionen gelangen, ist ein harter Kampf, der stetig weitergeführt werden muss. Denn 2016 ist von Gleichstellung in Österreich immer noch keine Rede. Gerade deshalb ist es so verwunderlich, dass das Bundesministerium für Familien und Jugend ein Bild der Retraditionalisierung vermittelt, statt eine gleichstellungsorientierte Betrachtung von Familie zu forcieren.

4. Warum kommen Sie Ihrer Aufforderung, "Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas" zu machen, nicht selbst nach?

Familienfreundlich zu sein bedeutet auch, gewillt zu sein, den Bedürfnissen von unterschiedlichen Familienformen nachzukommen. Dafür ist es notwendig, die Rolle der Mutterschaft von traditionellen Vorstellungen zu befreien. Dass Frauen Kind und Karriere unter einen Hut bringen, sollte in Österreich nicht mehr so eine außergewöhnliche Leistung sein, dass dafür Awards verliehen werden.

Genauso sollten tradierte Bilder von Familie allgemein überdacht werden und Ein-Eltern-Familien, Patchworkfamilien, gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Kindern und andere Modelle in die Diskussion und die vermittelten Bilder eingeschlossen werden. (Laura Wiesböck, 14.1.2016)