Sieht ein bisschen wie Ingwer aus und ist damit auch verwandt: Die indische Pflanze verleiht Gerichten einen erdigen Geschmack.

Foto: Oliver Hoffmann

Wien – Wer nicht gerne exotisch kocht, hat sich wahrscheinlich noch nie Gedanken gemacht. Es gibt ein Gewürz, das dem Curry seine gelbe Farbe verleiht – und Gerichten ein erdiges Aroma. Mitunter nutzt man das im Deutschen auch als Gelbwurz bezeichnete Pulver als Safran-Ersatz:Kurkuma ist ein Standardinhaltsstoff vieler asiatischer Küchen, so etwa in Indien, Thailand oder Nepal.

Das Gewürz wird aus den Wurzelstöcken der gleichnamigen Pflanze gewonnen. Dieses auf den botanischen Namen Curcuma longa getaufte Gewächs ist mit dem Ingwer verwandt und ursprünglich auf dem indischen Subkontinent heimisch. Dort dient es allerdings nicht nur zur Verfeinerung einer ganzen Reihe von Speisen, sondern kommt auch von jeher in der traditionellen Medizin zum Einsatz. Die ayurvedische Heilkunst verehrt Kurkuma geradezu als eine Art Wundermittel, erklärt der Biochemiker Michal Heger. "Den ayurvedischen Heilern zufolge wirkt es eigentlich gegen alles." Egal, ob es sich um Atemwegsinfekte, Rheuma oder Leberleiden handelt.

Aktiv gegen Bakterien

Was wie ein Mythos klingen mag, hat offenbar einen wahren Kern. Kurkuma enthält den Wirkstoff Curcumin, und der verfügt tatsächlich über bemerkenswerte Eigenschaften. In Laborversuchen hat die Substanz gezeigt, dass sie nicht nur gegen verschiedene Viren und Bakterien aktiv ist, sondern auch in diverse physiologische Prozesse des Organismus eingreift – inklusive in solche, die Tumorwachstum auslösen oder begünstigen. Taugt das Gewürz somit also tatsächlich als Mittel gegen Krebs? Vielleicht. In der Fachliteratur sind jedenfalls bereits dutzende Publikationen zu dieser Thematik erschienen. Die schlechte Nachricht: Der große Durchbruch steht gleichwohl noch aus.

Michal Heger ist als Wissenschafter an der Universität von Amsterdam tätig und widmet sich bereits seit mehreren Jahren der Erforschung von Curcumin. "Seine molekulare Struktur ist etwas ganz Besonderes", betont der Experte. Dank der langgestreckten Form mit elektrostatisch unterschiedlich geladenen Bereichen kann sich Curcumin an vielerlei andere biochemische Moleküle binden. Das macht sich vor allem bei den Enzymen bemerkbar. Letztere sind als Proteine in ihrer dreidimensionalen Bauweise präzise an die Interaktion mit bestimmten Stoffen angepasst. Das funktioniert nach dem berühmten Schlüssel-Schloss-Prinzip. Das Besondere an Curcumin ist die Tatsache, dass das Gewürz als eine Art Dietrich funktioniert. Es kann sich praktisch überall anpassen. Interessanterweise entfalten die Moleküle gerade in Krebszellen sehr gut ihre Wirkung. Sie blockieren unter anderem die Signalkette des Botenstoffs NF-?B, welcher für Zellwachstum und Zellteilung verantwortlich ist. In Ermangelung von NF-?B dagegen wird bei den wuchernden Zellen die Apoptose, der vorprogrammierte Zelltod, ausgelöst.

Abgesehen von solchen spezifischen Eingriffen wirkt Curcumin auch als außergewöhnlich starkes Antioxidans. Es neutralisiert sogenannte freie Radikale, die zum Beispiel bei chronischen Entzündungsprozessen freigesetzt werden und über die Schädigung von Erbgut die Entstehung von Tumoren einleiten können. Es ist eine Art Prävention auf biochemischer Ebene.

Der Darm entschärft

Doch all diesen Vorteilen zum Trotz ist Curcumin kein Wundermedikament – eher im Gegenteil. Zu leicht lässt es sich zersetzten. Mit der Nahrung aufgenommenes Curcumin kommt bei den meisten Menschen kaum im Blut an. "Ein pharmazeutisches Dilemma", sagt Michal Heger. Ursache seien die Schutzmechanismen im Darm. Die dort angesiedelten Enterozyten bauen die Moleküle um und machen sie so unwirksam. Auch anderswo wird Curcumin schnell zerlegt, hauptsächlich in Vanillin und Ferulasäure. Gegen Krebszellen zeigen diese Abbauprodukte offenbar keine Wirkung, wie Heger in zahlreichen Experimenten aufgezeigt hat.

Der Wissenschafter arbeitet deshalb an einer anderen Taktik. Zusammen mit einigen Kollegen entwickelt er ein zweistufiges Verfahren zur gezielten Bekämpfung von Tumoren mithilfe von Curcumin, einem weiteren Kampfstoff namens Zink-Phtalocyanin, und Laser. Der Clou ist dabei der Einsatz von sogenannten Liposomen, erklärt Heger. Im Prinzip seien das leere Zellhüllen. Im Blut verhalten sich diese Mikrobehälter erstaunlich stabil. Das Innere der Liposomen indes kann mit Wirkstoffen befüllt werden. Und das macht sie gewissermaßen zu trojanischen Pferden.

Die Amsterdamer Forscher statten ihre Liposomen an deren Hüllen mit speziellen Antikörpern aus. Letztere binden gezielt an der Oberfläche von Tumorzellen. Ist dies geschehen, kann sich der Inhalt im Zellinneren verbreiten. Zunächst entfaltet dort das Curcumin seine Wirkung und stört diverse lebenswichtige Prozesse. Nach einigen Tagen ist dann der zweite Stoff an der Reihe, Zink-Phtalocyanin, welcher lichtempfindlich ist und bei Laserbestrahlung gewaltige Mengen freier Radikale produziert. Sie geben der bereits geschwächten Zelle den Todesstoß. Die Methode hat Potenzial, steckt aber einstweilen noch in den Kinderschuhen. Für klinische Studien ist es momentan noch zu früh, betont Michal Heger. Zunächst gelte es, Dosierungsfragen zu klären und die optimale Zusammensetzung der Liposomen zu ermitteln. "Da haben wir noch einige Jahre Arbeit." (Kurt de Swaaf, 31.1.2016)