Doktor Google kann nicht nur Cyberchondrie fördern, sondern auch ein falsches positives Bild von der eigenen Erkrankung vermitteln, wie Forscher herausgefunden haben.

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Tübingen – Die flämische Online-Plattform "Gesundheit und Wissenschaft" warnt vor Selbstdiagnosen via Internet. "Don't google it, check a reliable source", lautet die Kernbotschaft eines Videos, das vor Cyberchondrie – eine Form der Hypochondrie, die durch das Internet verursacht und verstärkt wird – warnt. Will heißen: Wer etwa den Begriff Kopfschmerzen googelt, ist nur ein paar Klicks von der Selbstdiagnose Gehirntumor entfernt.

Auch in Österreich ist das Internet mittlerweile zur relevantesten Informationsquelle in medizinischen Fragen geworden, heißt es im kürzlich vom Gesundheitsministerium präsentierten Gesundheitsbarometer 2015. Konkret: Für 55 Prozent der Österreicher ist das Web die wichtigste Anlaufstelle für Gesundheitsthemen – und liegt damit vor dem Hausarzt (45 Prozent).

"Der Bedarf an jederzeit verfügbaren Informationen in Gesundheitsfragen ist groß. Die Herausforderung ist es, den Menschen objektive und qualitätsgesicherte Informationen zukommen zu lassen. Das kann Doktor Google leider nicht leisten", sagt Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser dazu. Das Internet sei demnach ein kreativ-chaotischer Müllhaufen, mit einigen Perlen, die es zu finden gilt. Diesen Schluss ziehen etwa die Experten vom Department für Evidenzbasierte Medizin (EbM) und Klinische Epidemiologie der Donau-Uni Krems.

Verzerrte Selbsteinschätzung

Psychologen der Universität Tübigen zufolge lässt sich die Popularität von Doktor Google auch darauf zurückführen, dass viele Patienten das Gespräch mit ihrem Arzt als zu kurz oder zu oberflächlich empfinden. Sie nutzen daher das Internet, um ihre Diagnose besser zu verstehen und Informationen über das Heilungsverfahren oder den Krankheitsverlauf zu erfahren.

In einer Studie konnten die Forscher nun folgendes Phänomen beobachten: Je schwerer die Erkrankung eines Patienten, desto positiver schätzte er nach intensiver Internetrecherche seinen Gesundheitszustand bzw. den Krankheitsverlauf ein. Den Grund vermuten die Wissenschafter darin, dass das Gefühl von Einschränkung und persönlicher Bedrohung, wie es häufig durch eine medizinische Diagnose ausgelöst wird, zu einer einseitigen Informationsauswahl und Verarbeitung führt.

Das heißt: Patienten konzentrieren sich bei ihrer Internetrecherche unbewusst auf die positiven Informationen. Negative Aspekte werden hingegen verstärkt ausgeblendet. "Um das Gefühl der Bedrohung zu reduzieren, wählen Patienten bei der Informationssuche im Internet mehr positive Links aus und erinnern sich öfter an positive Informationen aus gelesenen Texten", erklärt Studienleiter Kai Sassenberg.

Das Problem daran: Erkrankte schätzen ihre Situation falsch ein, indem sie potentiell negative Verläufe ihrer Krankheit übersehen. Das erschwert auch die weitere Arzt-Patienten-Kommunikation. Deshalb sei es notwendig, dass angehende Mediziner den angemessenen Umgang mit (fehl-)informierten Patienten bereits im Studium erlernen, so das Fazit der Studie. (gueb, 6.3.2016)