Gravitationswellen werden von Systemen beschleunigter Massen erzeugt, etwa von zwei sich einander näherenden Schwarzen Löchern. Die nun veröffentlichte Messung stammt von der Kollision zweier Objekte mit 29 beziehungsweise 36 Sonnenmasen vor 1,3 Milliarden Jahren (siehe Video).

Caltech Ligo

Video: Wie Gravitationswellen mit Interferometern aufgespürt werden.

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Der Beweis als Wellenlinie: Sowohl am Ligo-Detektor in Livingston, Louisiana, als auch an seinem Gegenstück in Hanford, Washington, wurden die Auswirkungen der Gravitationswellen auf die Raumzeit aufgezeichnet.

Grafik: LIGO

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David Reitze, Laboratory Executive Director von Ligo, zeigt zwei Schwarze Löcher bei deren Verschmelzung.

Foto: Reuters/GARY CAMERON

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Von links: Die Ligo-Forscher Gabriela González, Rainer Weiss und Kip Thorne jubeln bei der Pressekonferenz.

Foto: REUTERS/GARY CAMERON

Der Ligo-Detektor in Louisiana besteht aus zwei langen Röhren, durch die Laserlicht geschickt wird. Rechts im Bild zu sehen ist ein Physiker, der das Herzstück des Ligo-Detektors überprüft: den Spiegel.

Foto: Matt Heintze/Caltech/MIT/LIGO Lab
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Washington/Wien – Genau 100 Jahre ist es her, dass Albert Einstein als Konsequenz seiner allgemeinen Relativitätstheorie 1916 die Existenz sogenannter Gravitationswellen vorhergesagt hat. Es handelt sich dabei um Störungen der Raumzeit, die sich wellenartig mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. So gesichert Gravitationswellen jahrzehntelang als theoretisches Konzept galten, so kompliziert hat sich ihr experimenteller Nachweis dargestellt – bisher.

Verschmelzende Schwarze Löcher

Denn am Donnerstagnachmittag mitteleuropäischer Zeit hielten Physiker der Gravitationswellen-Observatorien Ligo in den USA ihre mit Spannung erwartete Pressekonferenz mit "Updates" zum Nachweis von Gravitationswellen ab. Was sie dabei bekannt gaben, ist ein wissenschaftlicher Meilenstein – sofern die Resultate auch bei weiterer Überprüfung bestätigt werden können: Erstmals wollen sie Gravitationswellen direkt nachgewiesen haben, die bei der Kollision zweier Schwarzer Löcher entstanden sind. Die Entdeckung soll von der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" veröffentlicht werden.

Die Gravitationswellen wurden am 14. September 2015 von den beiden Ligo-Laser-Interferometern in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington) in den USA registriert. Die beobachteten Wellen entstanden nach Angaben der Forscher während des letzten Sekundenbruchteils der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern vor 1,3 Milliarden Jahren. Diese sollen 29 und 36 mal so schwer wie die Sonne gewesen sein. "Bis jetzt waren wir taub, was Gravitationswellen angeht, aber nun können wir sie hören. Und wir erwarten auch, dass wir Dinge hören werden, die wir niemals erwartet hatten zu hören", sagte David Reitze, Laboratory Executive Director von Ligo bei der Bekanntgabe in Washington.

Einfacher Aufbau

Das Grundprinzip der Ligo-Detektoren klingt vergleichsweise einfach: Ein Laserstrahl wird in Teilstrahlen aufgespaltet und in zwei lange Röhren geleitet, die senkrecht aufeinander stehen. Am Ende dieser exakt gleich langen Röhren werden die Lichtwellen von einem Spiegel reflektiert und zum Ausgangspunkt zurückgeworfen. Im Normalfall sollten sich diese Strahlen aufheben und es würde kein Signal gemessen werden. Verzerrt jedoch eine Gravitationswelle die Raumzeit, variiert dadurch die Länge der beiden Röhren minimal – und die Physiker messen ein Signal. Im Fachjargon spricht man dabei von einem Interferenzexperiment.

Was die Detektion allerdings so schwierig macht, ist ihr vergleichsweise geringer Effekt und die dadurch bedingte extreme Genauigkeit der Messungen. Das Verhältnis vom Längenunterschied durch die Gravitationswellen zur Länge der Röhren beträgt laut Sascha Husa etwa einen Faktor 10 hoch -22, also eine Null mit 21 Nullen hinter dem Komma. Husa, Professor an der Universität der Balearen in Palma de Mallorca, ist einer der Österreicher, die an Ligo beteiligt sind.

Schwierige Detektion

Die Physiker müssen also diverse Störungen ausschließen können, die die Messung verzerren würden. Eine Vorkehrung dafür ist, dass Ligo aus zwei Detektoren besteht: einer steht in Livingston in Louisiana, der andere in Hanford, Washington.

Trotz der experimentellen Schwierigkeiten hält Herbert Balasin, theoretischer Physiker an der Technischen Universität Wien, der nicht an Ligo beteiligt ist, den Detektor für einen der aussichtsreichsten Kandidaten für den direkten Nachweis für Gravitationswellen. "Es gibt eigentlich keinen Zweifel, dass es Gravitationswellen gibt. Vielmehr wäre es eine Sensation, wenn sie nicht nachgewiesen werden könnten."

Mit der nun gelungenen Detektion bestätigen die Physiker nicht nur eine zentrale Vorhersage von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, sondern legen damit auch den Grundstein für eine neue Ära der Astronomie. "Alles was wir über das Universum wissen, wissen wir, weil wir elektromagnetische Wellen beobachtet haben", sagt Husa gegenüber dem STANDARD. Denn bisher basierten alle astronomischen Beobachtungen etwa auf Licht, Gammastrahlen oder Röntgenstrahlen.

Nobelpreisverdächtig

Gravitationswellen dagegen sind eine völlig andere Art von Wellen, quasi ein weiteres Sinnesorgan, mit dem sich bereits bekannte Objekte völlig neu erforschen ließen. Auch würden sie möglicherweise die Entdeckung und Erforschung von Phänomenen ermöglichen, die noch gar nicht bekannt sind. "Es besteht die Hoffnung, dass wir mit Gravitationswellen Dinge sehen, die wir mit elektromagnetischen Wellen nicht sehen konnten", sagt Husa. Aus diesem Grund ist auch schon von einer "Gravitationswellenastronomie" die Rede.

Der direkte Nachweis der Gravitationswellen ist jedenfalls ein heißer Anwärter für den Physiknobelpreis. Bereits der indirekte Nachweis wurde 1993 damit geehrt: In den 1970er-Jahren konnten die US-amerikanischen Physiker Russell Hulse und Joseph Taylor anhand eines Doppelsternsystems zeigen, dass die Umlaufbahnen dieser einander umkreisenden Neutronensterne immer enger werden – und dabei genau so viel Energie verlieren, wie durch die Abstrahlung durch Gravitationswellen vorhergesagt wurde.

Fehlalarm

Im März 2014 meldeten Forscher des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics einen vermeintlichen Erfolg: Mithilfe des am Südpol stationierten Teleskops Bicep2 wollten sie die Signatur von Gravitationswellen aus der Frühphase des Universums gemessen haben. Doch weitere Untersuchungen zeigten, dass die Forscher in ihrer Analyse den Einfluss von kosmischem Staub unterschätzt hatten. Knapp ein Jahr später war klar, dass die gemessenen Verzerrungen tatsächlich vor allem von kosmischem Staub in der Milchstraße stammten und daneben kein anderer Effekt ausreichend nachweisbar war. Bleibt zu hoffen, dass sich der jetzige Nachweis als beständiger erweist. (Tanja Traxler, David Rennert, 11.2.2016)