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Tübingens Bürgermeister Boris Palmer.

Foto: EPA/PATRICK SEEGER

Unkontrollierte Einwanderung und "Ponyhofpolitik" beenden – im Gegenzug einen Zaun mit bewaffneten Grenzern an der EU-Außengrenze errichten. Fragt man, von welchem deutschen Politiker diese Forderungen kommen, so werden viele Menschen antworten: Ganz klar, da spricht CSU-Chef Horst Seehofer.

Falsch. Es ist vielmehr ein nicht unbekannter deutscher Grüner, der sich entgegen jeder Parteilinie für diese Maßnahmen starkmacht: Boris Palmer, Oberbürgermeister im Universitätsstädtchen Tübingen in Baden-Württemberg (86.000 Einwohner).

Gerade erst hat er dem Spiegel ein vier Seiten langes Interview gegeben. In der Union applaudiert man, führende deutsche Grüne hingegen sind absolut not amused. Wieder einmal, denn Palmer ist die personifizierte Provokation für sie. Er ist quasi der Oberrealo in dem an Realos ohnehin nicht armen Baden-Württemberg, wo bekanntlich der einzige grüne Ministerpräsident Deutschlands, Winfried Kretschmann, regiert.

Dass sich jetzt so viele Parteifreunde über ihn aufregen, stört Palmer jedoch nicht im Geringsten. Der 43-Jährige hat den Hang zum Widerstand von seinem prominenten Vater Helmut Palmer übernommen: Der 2004 Verstorbene, ein gelernter Obstbauer, kämpfte als Vorläufer des Wutbürgers jahrzehntelang gegen Behörden- und Beamtenwillkür, gegen Altnazis und etablierte Parteien. Er trat auch bei 250 Bürgermeisterwahlen an.

Sohn Boris, der eine Waldorfschule besucht hat, war bei vielen Wahlkämpfen dabei. Nach dem Studium von Geschichte und Mathematik in Tübingen sowie in Sydney arbeitete der junge Palmer für die Grünenfraktion im Bundestag, zog dann in den Landtag von Baden-Württemberg ein und wurde 2007 Oberbürgermeister von Tübingen.

Der zweifache Vater warnte schon im Herbst vor der Überforderung Deutschlands in der Flüchtlingskrise. Er gebe gern den "Bad Boy, wenn es die Debatte weiterbringt", sagt er jetzt. Trotz seiner Haltung, die klar gegen die Parteimeinung steht, bezeichnet er sich selbst als "urgrün". Allerdings, so ein Seitenhieb, mache er ja als Kommunalpolitiker praktische Politik nahe an den Menschen.

Zum Krafttanken wandert er gern durch alte Streuobstwiesen, wo er sich seinem Vater nahe fühlt. Tübingen, sagen seine Fans, sei längst zu klein für ihn; Palmer müsse nach Berlin. Dort aber will ihn eigentlich keiner der Spitzengrünen. (Birgit Baumann, 15.2.2016)