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Sie kennen das: Da bruchlandet man auf einem unbekannten Planeten und hat sofort alle Hände voll zu tun. Ressourcen abbauen, immer komplexere Gegenstände und Gebäude craften, eine Infrastruktur planen und sich eventuell nebenbei gegen die feindliche Tierwelt erwehren muss man in vielen Aufbauspielen. Neben den Klassikern des komplexen Managementgenres – von "Railroad Tycoon" und "Transport Tycoon" über "Sim City" bis hin zu "Anno" und den "Siedlern" – sorgen wegen des Ausbleibens großer Titel auch immer öfter Indiespiele für Begeisterung bei der ihrem Genre treuen Community – auch das 2014 veröffentlichte Ein-Mann-Projekt "Banished" entwickelte sich zum Bestseller.

Aktuell sticht vor allem ein Early-Access-Spiel des Genres ins Auge. "Factorio", seit über vier Jahren in Entwicklung, ist erst seit kurzem auch über das Downloadportal Steam verfügbar und hat sich dort zum Überraschungshit gemausert. Fast 3000 größtenteils hellauf begeisterte User-Rezensionen bescheinigen dem kleinen Spiel seit seinem Start auf Steam vor erst knapp zwei Wochen (!) höchste Qualität – damit ist "Factorio" aktuell der am besten bewertete Titel auf der Plattform. Dass Markus "Notch" Persson, Neo-Milliardär und Erfinder von "Minecraft", seinen dreieinhalb Millionen Twitter-Followern das Spiel direkt ans Herz gelegt hat, hat damit sicher ebenso viel zu tun wie eine simple Tatsache: "Factorio" ist trotz seines Alpha-Status ein sichtbar mit Liebe entwickeltes Ausnahmespiel.

Factorio

Industrialisierung auf fremden Planeten

Was "Factorio" besonders macht, ist sein Fokus auf Automatisierung. Wie in vielen Aufbauspielen, aber auch in erfolgreichen Sandbox-Simulationen von "Minecraft" abwärts steht zu Beginn der Ressourcenabbau. Aus der Vogelperspektive lenken Spielerinnen und Spieler in den ersten Minuten ihren einsamen Astronauten zu den diversen Ressourcen, die für den Bau weiterer Werkzeuge und Gebäude nötig sind. Während in "MInecraft" & Co aber das geduldige Bäumefällen und Steineklopfen stets allgegenwärtig bleibt, gibt "Factorio" seinen Spielerinnen und Spielern fast sofort die Werkzeuge für eine beginnende Industrialiserung in die Hand: Automatisierte Fabriken bauen Stein, Kohle und Erze ab, Fließbänder transportieren die Rohstoffe zu Schmelzöfen, und zunächst primitive Roboterarme verladen Rohstoffe und fertige Produkte ganz nach Spielervorgabe.

Dabei steht schon bald eine beeindruckende Vielfalt an Möglichkeiten zur Verfügung: Verfeuern die ersten Maschinen noch Kohle, sorgen bald Dampfmaschinen und später Solarzellen für Elektrizität. Immer leistungsfähiger und komplexer werdende Fließbandkilometer verbinden eine über Stunden und Tage wachsende Industrielandschaft, die – im fernen Idealziel – fast ohne menschliches Eingreifen arbeitet und produziert. Als Architekt und Bauherr beschränkt sich das Eingreifen von Spielerinnen und Spielern dann auf Feinschliff, Erweiterung und (über-)ambitionierte Erweiterungspläne.

Fordern und fördern

Störfaktoren dieser Universalfabrik sind lediglich hin und wieder erschöpfte Ressourcenlager und die feindliche Fauna des Planeten, die sich von der vor ihrem Augen stattfindenden Industrialisierung mit rauchenden Schlöten und geschäftigen Maschinen gestört fühlt und zum Angriff bläst. Vor allem in den ersten Spielstunden lassen sich die Angreifer noch recht mühelos abwehren, doch auf lange Sicht führt an Verteidigungsanlagen und Mauern kein Weg vorbei, will man sein immer größer werdendes Maschinenimperium am Laufen halten.

Das Entwickeln neuer Gebäude und Technologien in Forschungslaboren macht die Umsetzung noch komplexerer, automatisierter Arbeitsabläufe, die die benötigten Ressourcen anliefern, zur Notwendigkeit. Was auf dem Papier trocken klingt, ist im Spiel ein stets motivierendes ständiges Erweitern und Optimieren immer größer werdender Fabrikslandschaften. Bis im Forschungsbaum auch die letzten Entwicklungen freigeschaltet und somit die volle Palette an möglichen Gebäuden und Werkzeugen und Gebäudetypen verfügbar ist, haben auch hier besonders leicht dem Sog des Spiels verfallende Planer genug zu tun.

Wer sich übrigens ganz ungestört von Zusatzaufgaben oder Gegnern dem Hegen und Pflegen seiner Industrielandschaft widmen möchte, kann abseits der Kampagne auch im "Sandbox"-Modus ganz klassisch ohne Spielerfigur aus der Feldherrenperspektive planen und bauen oder die Alien-Überfälle deaktivieren. Ein Multiplayer-Modus ermöglicht das gemeinsame Feilen an der perfekten Fabrik.

Early Access ohne Reue

Dass die Vielzahl an Möglichkeiten neue Spielerinnen und Spieler mit ihrer Komplexität nicht erschlägt, sondern im Gegenteil Kreativität und Ehrgeiz anstachelt, ist vor allem das Verdienst eines umfangreichen Tutorials, das fundiert und Schritt für Schritt in die ersten Spielkonzepte einführt – gerade bei Early-Access-Titeln keine Selbstverständlichkeit. Natürlich unterstützt auch eine begeisterte Community mit wachsendem Wiki und Tutorial-Videos Einsteiger bei ihren ersten Schritten, denn "Factorio" wächst und wird stetig mit neuen Elementen erweitert.

Dass ein ausgefeiltes Endgame im Moment noch fehlt, ist angesichts des bereits voll funktionstüchtigen Basis-Spiels verschmerzbar – schon jetzt motiviert "Factorio" seine wachsende Fangemeinde zum tage- und wochenlangen Tüfteln. Die unspektakuläre Grafik, das vor allem für noch ungeübte Planer recht winzig ausgefallene User-Interface und rare Bugs fallen dabei kaum negativ ins Gewicht, wenn Gameplay und Langzeitmotivation so wie hier stimmen.

Factorio

Fazit

Freunde von Aufbausimulationen, die nach komplexen, aber vor allem originellen Herausforderungen suchen, finden mit "Factorio" trotz seines unfertigen Zustands schon jetzt ihre nächste Obsession. Mit seinem einzigartigen Schwerpunkt auf der immer komplexer werdenden Automatisierung der Produktionsabläufe zwingt es seine Spielerinnen und Spieler zu innovativen Problemlösungen ganz abseits vom sattsam bekannten Aufbauspiel-Rezept.

Die Lobeshymnen auf Steam sind durchaus berechtigt: "Factorio" ist das nächste vermeintlich kleine Spiel, das die große Welt begeistert – und das, obwohl es noch nicht einmal fertig ist. (Rainer Sigl, 9.3.2016)

"Factorio" ist im Early Access für Windows, Linux und Mac erschienen. UVP: 20 Euro