Martin Freeman (li.) und Benedict Cumberbatch sind das dynamische Duo der BBC.

Trailer zu "Sherlock: Die Braut des Grauens".

Sherlock Holmes-BBC

Noch ein Trailer zu "Sherlock: Die Braut des Grauens".

PBS

Und noch ein Trailer zu "Sherlock: Die Braut des Grauens".

Sherlock

London/Wien – Nachrichten aus der Parallelwelt des Fernsehens: Die derzeit erfolgreichste Show im britischen TV trägt den Titel Countryfile und ist: Wohlfühlfernsehen. Wendige Moderatoren erkunden zu sanfter Klaviermusik die Schönheiten des Landes. Sie klettern entlang der Küsten Nordirlands, begleiten Schafhirten auf Weiden, erzählen Geschichten von Boot- und Trockenmauerbau, kümmern sich um Umwelt und Landwirtschaft und kritisieren, wenn nicht artgerecht gewirtschaftet oder wenn Grund und Boden ausverkauft wird.

Foto: BBC

Countryfile, das ist eine Art Jamie Oliver auf Landausflug. Seit rund dreißig Jahren sendet die BBC, doch jetzt erst wurde es zum ganz großen Hit, bei dem sonntags bis zu neun Millionen zuschauen.

Gruselige Mördertante

An diese Zahl kam Sherlock: Die Braut des Grauens am Neujahrstag des Jahres 2016 nicht heran. 8,4 Millionen schauten bei der BBC, als das Dreamteam Benedict Cumberbatch und Martin Freeman vom Hier und Heute ins Viktorianische – also ins originalen Holmes’schen – Zeitalter switchten und dort den Geist einer gruseligen Mördertante verfolgten.

Dass er nur in zweiter Reihe stünde, würde Sherlock Holmes niemals akzeptieren. "Halt, Freund!", würde er rufen und zu Recht auf Wesentliches verweisen: Digital schlägt der ruhelose Kokskriminalist die braven Rasensheriffs freilich um Längen.

Allein am BBC iPlayer zählte der Gebührenfunk zwei Millionen Abrufe. Nicht eingerechnet ist weiters das weltweite Sherlock-Phänomen: Allein die Braut-Folge – die zehnte Episode der seit 2010 produzierten Serie – wurde in 225 Ländern weltweit verkauft. In mehr als zwanzig Ländern wurde die Folge auf der großen Leinwand gezeigt, in den USA etwa lief sie in 750 Kinos. Das neunzigminütige Special brachte damit mehr als 30 Millionen Dollar ein.

Russen-Sherlock

Nirgendwo aber ist Sherlock erfolgreicher als in Asien. In China ist der nichtgeoutete Meister detektiv Ikone der Gay-Bewegung, in Südkorea genießt er Popstarstatus. In Japan gibt es die Abenteuer frei nach Sir Arthur Conan Doyle als Manga. Russland hat seinen eigenen Sherlock, er heißt Roan Freydin und ist Psychologe und professioneller Pokerspieler.

Doch zurück zu Holmes – Sherlock, Holmes, 221B Baker Street. Dieser sagt von sich selbst, er sei ein "hochfunktionaler Soziopath". Naseweise wollen wissen, dass er zumindest in dieser Selbsteinschätzung falsch liegt und vielmehr ein medizinisch einwandfrei diagnostizierbares Asperger-Syndrom aufweist.

Heylola2

Mit diesem kalt- und gleichzeitig heißblütigen Charakterbild jagen er und sein treuer Freund John Watson besagte Braut des Grauens mit allem, was dazugehört und was Fans so gern mögen: schnelle Schnitte, kühne Zooms, überraschende Wendungen, brillante Dialoge, witzige Einlagen (dieses Mal: eine entgleisende Unterhaltung in Gebärdensprache!). Nicht zu vergessen ein bis in die Nebenrollen hervorragend besetztes Ensemble, angefangen vom Geniebruder (gespielt von einem der Sherlock-Autoren Mark Gatiss) und dem ewigen Bösewicht Mo riarty (Andrew Scott), der mitten hinein ins Herz psychologischer Deutbarkeit hineinsticht und lustvolles Interpretieren erlaubt: Die größte Angst des Sherlock Holmes ist was?

Ganze Lehrbücher werden da aufgemacht: das Hirn ohne Herz, versteckte Gefühle, Asexualität, Triebe, Homoerotik, die rätselhafte Feststellung "Ich habe mich gemacht" und ein eher lässiger Umgang mit Drogen: "Kontrollierter Konsum führt gewöhnlich nicht zum Tod. Und Abstinenz nicht zu Unsterblichkeit."

Die erste Folge spielt im London des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, da es dort noch Bodennebel gab und die seltsame Praktik des "Leichenschlagens": Um zu sehen, wie lange sich beim Toten blaue Flecke bilden – Zeit der Wissenschaft, Fortschritt, Experimente. Der Schläger ist er selbst, Sherlock Holmes. "Ich sehe, Sie waren in Afghanistan", sagt er dem Freund auf den Kopf zu. Der gute Watson: staunt. Oder um es mit Mo riarty zu sagen: "Das ist alles in deinem Kopf." Noch Fragen?

Neue Folgen werden im Frühling gedreht, zu sehen sind sie voraussichtlich 2017. (Doris Priesching, 27.3.2016)