So wird Minimalismus 2016 getragen. Wichtig: wenig Farbe, viel Volumen.

Foto: Weekday

Sie heißt Sex, und ihr Name ist Programm: Die Unisex-Jeans des schwedischen Retailers Weekday ist für alle zu haben – "egal, ob Mann oder Frau", erklärt Designchefin Louise Lasson. Mit dem Bekenntnis zu Unisex-Mode heftet sich das Label dem Zeitgeist an die Fersen. Seit selbst das italienische Label Gucci Männern verspielte Schluppenblusen anzieht, gilt "Gender-Blurring", Geschlechtergrenzen modisch aufzulösen, als hip. Keine Frage, dass das schwedische Unternehmen mitmischen will. Dem Mainstream einen Wimpernschlag voraus zu sein gehört für das Subunternehmen von H&M zum täglichen Geschäft.

Weekday versteht sich aufs Imagemachen: Das Label begann mit einem Werbegag. 2002 wurde in Stockholm ein Weekday-Shop eröffnet, der sieben Tage die Woche geöffnet war.

Angesagte Marken

Heute verkauft der Schwede minimalistische Mode in Grau, Beige, Weiß, Schwarz. Wenig Farbe, viel Volumen lautet die Verkaufsformel des Retailers, den man als die coole jüngere Schwester von Cos bezeichnen könnte. Die DNA von Weekday fußt nämlich nicht nur auf weiten Mänteln, kastigen Kapuzenpullovern, burschikosen Bomberjacken, einem Touch Popkultur und dem Verkauf angesagter Marken wie Vans, Birkenstock oder Le Specs, sondern auch auf indigoblauer Baumwolle.

Mit Jeans lässt sich eine breite Käuferschicht erreichen, kein Wunder, dass das Unternehmen seine Denim-Roots pflegt. Weekday ging aus dem Jeans-Hersteller Cheap Monday hervor, der sich mit billigen Jeansröhren für 40 Euro innerhalb kürzester Zeit Street-Credibility erwarb. Die Jeans von Weekday sind nur unwesentlich teurer, werden aber mittlerweile aus Biobaumwolle hergestellt. Und auch die Schnitte sehen anders aus. Die Alleinherrschaft der Röhre ist gebrochen. "Viele Modelle sind jetzt gekürzt und ausgestellt", erklärt Lasson, die mit einem zwanzigköpfigen Designteam nicht nur die Jeans-Linie, sondern auch drei Modekollektionen pro Saison entwirft.

Und noch etwas hat sich verändert. Während Weekday in den letzten Jahren noch Designer-Kooperationen mit Bruno Pieters oder Matthew Ames bewarb, hat sich Weekday innerhalb der letzten zwei Jahre auf das Design der eigenen Linien konzentriert, erklärt CEO David Thorewik. Deren Handschrift fühlt sich dem skandinavischen Minimalismus verpflichtet. Was diesen ausmacht?

Kühle Mentalität

"Wahrscheinlich drückt sich die eher kühle Mentalität der Schweden auch in ihrem Stil aus", meint Gunnar Hämmerle. Der Deutsch-Schwede muss es wissen, reist er doch seit Ende der Nullerjahre regelmäßig nach Skandinavien und hat immer eine Kamera im Gepäck, um Porträts von Menschen und ihren Outfits zu machen.

Städte wie Kopenhagen oder Stockholm waren für den Streetstyle-Fotografen und seinen Blog Styleclicker "immer sehr ergiebig": "Die Leute dort sind sehr stilsicher, auch wenn ihre Looks sich ähneln." In Stockholm, der "Hauptstadt der Skinnie-Jeans-Bewegung", so Hämmerle, kommt Mitte der Nuller Jahre alles zusammen. Damals taucht die schwedische Hauptstadt zwischen den etablierten Modestädten auf und schiebt sich mit lässiger Nonchalance zwischen Paris, Mailand, London, New York.

2005 bekommt Stockholm eine eigene Modewoche. Schlichtes Stilbewusstsein ist praktikabel, tragbar und kommt aus dem Norden, diese Botschaft füllt eine Lücke, entwickelt sich zu einer eigenen Marke und einem lukrativen Business.

Deren Verbreitung ist eng verwoben mit den ersten Streetstyle-Blogs, die seither als Multiplikatoren funktionieren. Übers Netz verbreiten Fotografen wie Styleclicker Hämmerle zusammengedrehte Haarknödel, Skinny-Jeans, Lederjacken, Jutetaschen. In Stockholm machen sie in den Szenevierteln Södermalm und Östermalm Jagd auf schlaksige Trendsetter und Mädchen mit blonden Mähnen und roten Wangen, die jenen geradlinigen, aufgeräumten Stil verkörpern. Der skandinavische Look erscheint auf Blogs wie Styleclicker, Facehunter, Stockholm Streetstyle so simpel wie begehrenswert.

Exportnation

Das Flächenland Schweden ist damit seiner Zeit voraus. "Das Gespür für den Zeitgeist, die Verknüpfung von Popmusik und Mode, die Technikbegeisterung" – Hämmerle, der in München lebt, schätzt die Aufgeschlossenheit des hohen Nordens: "Die Leute hatten hier lange vor uns Smartphones."

Beste Voraussetzung dafür, dass sich das Bloggen früh zum Volkssport entwickelt. Bloggerinnen wie Caroline Blomst, Elin Kling oder Hanneli Mustaparta sehen wie Models aus und verleihen der simplen Aufgeräumtheit ein Gesicht. Auch sie machen Unternehmen wie Acne oder Weekday außerhalb der Landesgrenzen populär.

Die Expansion von Unternehmen wie Weekday versinnbildlicht die Entwicklung des Modestandorts Schweden. Dass skandinavische Stilsicherheit leicht verkäuflich ist, haben schwedische Modeunternehmen von Anfang an verstanden. Wohl auch aus einer Notwendigkeit heraus.

Eroberung der Märkte

Der Absatzmarkt des dünn besiedelten Landes ist überschaubar. Mode, die in Stockholm designt wird, wird meist im Ausland produziert, um dann großteils wieder exportiert zu werden. Es verwundert also nicht, dass skandinavische Modeketten mit ihrer erschwinglichen Streetwear heute nicht nur in Stockholm die Einkaufsstraßen säumen.

"Der skandinavische Minimalismus ist heute auf der ganzen Welt zu finden", sagt auch Designerin Louise Lasson. Tatsächlich hat die schlichte Mode aus dem Norden Shop für Shop den österreichischen Markt erobert. Erst online, dann offline.

2012 wurde am Wiener Bauernmarkt die erste Cos-Dependance eröffnet, im letzten Jahr haben die Unternehmen Carlings und Bik Bok nach Österreich expandiert, jetzt folgt Weekday mit einer Filiale in der Mariahilfer Straße. CEO David Thorewik sichtete vor einem Jahr während seines ersten Wien-Besuchs den Standort. Was er sah? "Jede Menge Konsumenten." Die Schweden wissen, worauf es ankommt. (Anne Feldkamp, RONDO, 2.4.2016)