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Dass Neandertaler und moderne Menschen genetisch nicht so recht zusammenpassten, könnte sich vor allem auf die männlichen Nachkommen dieser Verbindung negativ ausgewirkt haben.

Foto: REUTERS/Nikola Solic

Stanford/Wien – In den letzten Monaten bestätigten Paläogenetiker, was man durch Neandertaler-Studien bereits seit sechs Jahren weiß: Der moderne Mensch blieb nicht unter sich. Seitensprünge zu anderen Ästen unseres Stammbaums hinterließen ein mehrere Prozent umfassendes Erbe in unseren genetischen Bauplänen. Vor etwa 100.000 Jahren sollen Homo sapiens und Neandertaler erstmals gemeinsame Nachkommen in die Welt gesetzt haben, was uns bis zu vier Prozent Neandertaler-DNA bescherte.

Zwei Untersuchungen aus dem Jahr 2014 reduzierten den Anteil inzwischen auf nur 1,4 Prozent. Dass wir nicht mehr Neandertaler-Erbgut in unsere Zeit herüber retten konnten, spricht eher gegen alltägliche zwischenartliche Schäferstündchen. Vielleicht aber passten auch Mensch und Neandertaler genetisch einfach nicht so gut zusammen.

Auftrieb bekommt diese Idee nun von einer Entdeckung, die Wissenschaftern von der Stanford University School of Medicine in Kalifornien gelungen ist. Der Molekularbiologe Fernando Mendez und seine Kollegen haben sich in ihrer Studie erstmals dem Y-Chromosom der Neandertaler zugewandt. Bei bisherigen Analysen wurden ausschließlich die DNA von Neandertalerfrauen und mitochondriales Genmaterial untersucht, das den Nachkommen beider Geschlechter hinterlassen wird. Im Unterschied dazu wird das Y-Chromosom nur zwischen Vätern und Söhnen vererbt.

Verschollenes Chromosom

Zur großen Überraschung der Forscher ergab eine Suche nach Genen aus Neandertaler-Y-Chromosomen im Homo-sapiens-Erbgut keinen einzigen Treffer. Offensichtlich waren sie nicht dauerhaft an den modernen Menschen weitergegeben worden – warum, das ist unklar. Wie die Forscher im "American Journal of Human Genetics" darlegen, spricht aber vieles dafür, dass unser genetischer Bauplan nicht mit dem Neandertaler-Y-Chromosom kompatibel war.

Tatsächlich fanden sich an einem der Neandertaler-Y-Chromosomen genetische Marker, die mit bekannten Abstoßungsreaktionen in Verbindung stehen, wenn Männer Organe an Frauen spenden. Konkret isolierten die Wissenschafter drei sogenannte Histokompatibilitäts-Antigene am Neandertal-Y-Chromosom. "Diese H-Y-Gene könnten durchaus zu einer höheren Fehlgeburtenrate oder zu unfruchtbaren männlichen Nachkommen von Neandertalern und Homo sapiens geführt haben", vermutet Mendez. (tberg, 7.4.2016)