Auf dieser von einem US-Piloten gemachten historischen Luftaufnahme von 1945 ist eine Kolonne jüdischer Gefangener aus Graz auf dem Todesmarsch ins KZ Mauthausen zu sehen.

Foto: Possert/Luftbilddatenbank Dr.Carls

Graz – Eigentlich wäre es wohl Aufgabe der öffentlichen Hand, der Politik, sich um diese gleichwohl sensible wie gesellschaftspolitisch wichtige Aufgabe der Gedenkkultur zu kümmern. Es ist aber "ein Privater" , der Grazer Arzt Rainer Possert, der sich seit Jahren um die Aufklärung eines der dunkelsten Kapitel der Grazer Geschichte bemüht und regelmäßig, so wie diesen Samstag, eine große Gedenkfeier für die Opfer organisiert.

Es geht um das bis vor wenigen Jahren weitgehend unbekannte ehemalige NS-Lager im Stadtbezirk Liebenau, auf dessen Areal womöglich nach wie vor in verfüllten Bombentrichtern jüdische Opfer verscharrt sind.

Tausende ungarische Jüdinnen und Juden wurden in den späten Kriegstagen auf Todesmärschen nach Mauthausen getrieben, sie machten hier im Liebenauer Lager Halt. Viele starben an Erschöpfung oder Unterernährung, viele wurden ermordet und im Lager verscharrt. Seit langem drängt Possert die offiziellen Stellen der Stadt, endlich Klarheit zu schaffen und Nachforschungen einzuleiten, ob hier im Wohngebiet in der NS-Zeit tatsächlich Massengräber angelegt wurden. Patienten hatten ihm immer wieder von Funden menschlicher Überreste erzählt.

Als Bodenfundstätte im Flächenwidmungsplan

Der Arzt hat – gemeinsam mit dem von ihm mitbegründeten Sozialmedizinischen Zentrum Liebenau – in der Folge Privatforschungen angestellt, Gutachter engagiert, hochspezielle Luftaufnahmen organisiert und fast auf den Zentimeter genau die alten Bombentrichter rekonstruiert. Zumindest das Bundesdenkmalamt hat sich von Posserts Vorarbeiten jetzt beeindruckt gezeigt. Das ganze Gebiet wurde mittlerweile als "Bodenfundstätte" im Flächenwidmungsplan eingetragen.

Das bedeutet, dass auch Fundstücke aus der NS-Zeit gemeldet werden müssen. Für die noch immer bestehende ehemalige NS-Kommandozentrale mitten im Wohngebiet läuft mittlerweile eine Denkmalschutzverfahren, das in erster Instanz aber vom Bauamt beeinsprucht worden sei, sagt Possert.

Gedenktafel mit hebräischer Inschrift

Da die Stadt nicht nur bei den Nachforschungen, sondern auch im Gedenkdienst säumig sei, habe das Sozialmedizinische Zentrum Liebenau von sich aus auch heuer eine Gedenkfeier plus Fertigung einer Gedenktafel organisiert. Im Vorfeld des Gedenkens besuchte auch die israelische Botschafterin die Stätte des ehemaligen Lagers und regte an, die Gedenktafel an der Kommandantur auch in Hebräisch zu erfassen. Bei der Enthüllung der Tafel reden Vertreter des Mauthausenkomitees, ein Mitglied der Kultusgemeinde ebenso, Paul Gulda wird die Feier mit einem Konzert in der nahen Graz-Süd abschließen. Die Stadtregierung lässt sich vertreten. (Walter Müller, 9.4.2016)