So ist sie bekannt geworden: Veronika Heilbrunner wird von den Objektiven der Streetstyle-Fotografen verfolgt.

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Anne Höweler: "Manche Bloggerin im deutschsprachigen Raum könnte monatlich 20.000 Euro verdienen."

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"Vor zehn Jahren hießen Blogger noch Opinionleader, dann Early Adopter, dann Mover and Shaker", sagt Julia Winkels.

Foto: Bella Schwarz

Treffpunkt Bar Luce, ein bonbonfarbenes Café mit alten Jukeboxen und Terrazzoboden. In der Fondazione Prada an der Peripherie von Mailand geht es zu wie in einem Taubenschlag, wenige Meter weiter wird in einer Stunde die Show von Pucci stattfinden. Während der Modewoche ist das pastellfarbene Universum, designt von Regisseur Wes Anderson, der Place to be. Hier steht man Schlange, um gesehen zu werden und irgendwann an einem Miniaturtisch Platz nehmen zu dürfen.

Eine Sandwichlänge später kommt Veronika Heilbrunner, schulterlange, feste dunkelblonde Haare, 1,86 Meter lang, zur Tür herein. Sie trägt einen Parka von Prada, an den Füßen farbige Chucks und rollt das "R" wie es nur eine gebürtige Bayerin rollen kann. Nebenan zieht der Streetstyle-Fotograf Tommy Ton gerade ein Getränk aus einem Automaten, Heilbrunner grüßt, grinst, er hat ihre Karriere mit seinen Streetstyle-Bildern ins Rollen gebracht.

Star von internationalem Format

Heute ist die 35-Jährige in ihrem Metier einer der wenigen deutschsprachigen Stars internationalen Formats. Veronika Heilbrunner ist dafür bekannt, dass sie bodenlange Valentino-Kleider zu flachen Sohlen trägt und das Modebusiness mit einer heiteren Nonchalance nimmt.

Als was sich Heilbrunner selbst bezeichnen würde? Ist sie ein Streetstyle-Star, eine Bloggerin oder ein Social Model, wie unlängst die "Süddeutsche Zeitung" schrieb? Kritisches Stirnrunzeln, Kopfschütteln. Veronika Heilbrunner bezeichnet sich selbst als "Moderedakteurin fürs Digitale". Meist wird sie aber als "Influencer" gehandelt. So werden seit einiger Zeit Trendsetter im digitalen Modebusiness genannt.

Tatsächlich hat nicht nur Veronika Heilbrunner Schwierigkeiten, ihren Job zu benennen. Julia Winkels, Chefin der Berliner Agentur Bold, die seit Jahren mit Bloggern zusammenarbeitet, erklärt: "Vor zehn Jahren hießen sie noch Opinionleader, später Early Adopter, dann Mover and Shaker, heute ist die Bezeichnung Influencer am gängigsten."

Das fotogenste Paar der Modebranche

Sogenannte Influencer vereinen viele Talente: Heilbronner bloggt, ist so dünn wie ein Model, lässt sich geduldig fotografieren, hängt stets an ihrem Smartphone, und wenn sie während der Modewochen unterwegs ist, richten sich die Objektive auf sie. Meist klebt an ihrer Hand ein muskulöser, tätowierter Australier. Justin O'Shea hat es als Einkäufer für den Luxus-Onlineshop Mytheresa zu solchem Einfluss gebracht, dass er eben erst zum Kreativchef des italienischen Anzugmachers Brioni ernannt wurde.

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Bloggerin Veronika Heilbrunner und Brioni-Kreativchef Justin O'Shea treten während der Modewochen meist gemeinsam auf.
Foto: picturedesk / Rex Features / Silvia Olsen

Zusammen sind sie das fotogenste Paar der Modebranche und eine echte Marke: Heilbrunner & O'Shea gehören zusammen wie Pat und Patachon, sie verfügen über Coolness, Geschmack und Branchenkontakte. "Viele glauben, ich sei Millionärin, weil ich Kleider von Valentino trage." Dem sei nicht so. Die Looks, oft von Christopher Kane oder Erdem, seien geliehen, sie arbeite seit Jahren mit den gleichen zehn Brands zusammen.

Die internationalen Modewochen in New York, London, Mailand und Paris sind Heilbrunners Parkett: "Man muss wahrgenommen werden", erklärt sie. Und das wird sie. Wenn es nach den Bussis geht, die sie während der Modewoche in Mailand verteilt, ist die Bayerin bestens vernetzt.

Alte Hasen

Das ist kein Wunder. Bekannt wurde sie zwar für ihre Outfits, doch Heilbrunner ist ein alter Hase im Modebusiness. Lange war sie Moderedakteurin für deutsche Magazine, später arbeitete sie für den Luxus-Onlineshop Mytheresa. Seit einem Jahr führt sie gemeinsam mit Julia Knolle das Webmagazin "Hey Woman!". Knolle machte "Lesmads" groß, den kommerziellen Modeblog für Burda, und verantwortete den digitalen Auftritt der deutschen "Vogue".

Die Neuorientierung der beiden hat gute Gründe: "In der deutschen Verlagswelt passiert nicht viel Gutes, da bewegt sich nicht viel nach vorne", meint Heilbrunner. Nebenher erledigen beide Consultingjobs, Knolle im Digitalbereich, Heilbrunner in der Mode. "Das Geld stecken wir in die Website, die wirft noch nicht genügend ab."

"Hey Woman!" kommt dennoch wie die digitale Edelkirsche der Blogosphäre daher. Es geht um Kunst, Kultur und natürlich Luxusmode. Neben Beiträgen namhafter Modeautorinnen führen Affiliate-Links zu einem Luxus-Onlineshop, dazwischen tauchen Advertorials für Gucci oder H&M auf, bezahlte Bildstrecken, in denen Heilbrunner modelt.

Budgets für Blogger

So wie das Webmagazin finanzieren sich unzählige Modeblogs – und das seit Jahren. Neu ist: Die Unternehmen planen größere Budgets für Blogger ein. 2010 sei Print noch deutlich über Online angesiedelt gewesen, innerhalb der letzten beiden Jahre habe sich das verändert, erklärt Julia Winkels von der Agentur Bold.

Die Blogs rücken an das Printbusiness heran, auch wenn da die Budgets nach wie vor wesentlich größer sind. Anne Höweler, die mit ihrer Agentur Cover PR die wichtigsten Blogger aus dem deutschsprachigen Raum vertritt, sagt, dass sie bei Verhandlungen um die Honorare von Bloggern nicht mehr in Erklärungsnot gerate. Auch Anfragen zur "platten Suchmaschinenoptimierung oder Produkttests" seien am Verschwinden, meint die Agenturchefin.

Das Onlinebusiness dreht sich längst nicht mehr nur um Blogs: Heute wird vielstimmig via Facebook, Instagram, Youtube und Snapchat kommuniziert und Kasse gemacht. Von außen ist immer schwerer zu durchschauen, wie die "Influencer" Geld verdienen. Sie werden für Partyauftritte aufgemascherlt, bekommen Jeans zugeschickt, veranstalten zusammen mit Unternehmen eigene Events.

Image und Bezahlung

Wo fließt hier Geld und wo nicht? Diese Frage ist oft unmöglich zu beantworten. Das hat auch damit zu tun, dass nicht alle bezahlten Inhalte konsequent gekennzeichnet werden – insbesondere auf Instagram. "Auf Instagram wird ein Bild in der Regel nicht als Promotion oder Werbung markiert", meint Winkels. Weil gekennzeichnete Beiträge von den Lesern schneller als Werbung abgetan werden, rät Höweler ihren Blog-Klienten mittlerweile, sich im Monat auf drei bis vier Advertorials zu beschränken.

Die markierten Beiträge zu Haarpflegeprodukten, Bodylotions oder Kopfhörern können fürs Image gefährlich werden. Zu viele bezahlte Posts? Wirken selbst im Blog-Umfeld wenig glaubwürdig. Die Leserschaft im deutschsprachigen Raum gilt bekanntlich als besonders kritisch.

Bloggerinnen wie Veronika Heilbrunner können es sich leisten, Aufträge abzusagen. Von den Honoraren für Advertorials, Affiliate-Links und Tagesgagen können die erfolgreichsten Modeblogger gut leben. "So manche Bloggerin aus dem deutschsprachigen Raum könnte im Monat rund 20.000 Euro verdienen", meint Anne Höweler von Cover PR. Wenn sie denn auch für Blasenpflaster, Katzenfutter, Käse oder Zewa-Rollen werbenen. Da sitzen nämlich die besonders dicken Werbebudgets.

Um der Glaubwürdigkeit willen beschränken sich langfristig denkende Blogger auf die Zusammenarbeit mit modenahen Unternehmen. Wer im deutschsprachigen Raum gut im Geschäft ist, kann so immer noch rund 10.000 Euro im Monat verdienen, meint Höweler.

Weniger ist mehr

Auch die gebürtige Salzburgerin Viktoria Heiler, die mit ihren Blogs "Bikinis and Passports" und "The Daily Dose" bei Cover PR unter Vertrag ist, bloggt getreu dem Motto "Weniger ist mehr". Sie geht immer häufiger langfristige Bindungen mit Marken und Unternehmen ein – ein Trend, der die Professionalisierung der Szene dokumentiert. Heiler war in Österreich bereits zweimal das Gesicht für das dänische Schmuckunternehmen Pandora.

Was vor zehn Jahren die It-Girls, sind heute die "Influencer". Sie besuchen als Markengesichter Events wie das Coachella-Festival, ersetzen Models in Lookbooks und bewerben mittlerweile auch so manches Printformat.

Bei Veronika Heilbrunner aber geht es noch eine Spur glamouröser als bei den meisten Bloggerinnen zu. In Mailand wird sie in der Bar Luce von Justin O'Shea – Sonnenbrille, Zweiteiler, ein Ohr am Smartphone – abgeholt. Danach geht's zur Show von Pucci. Allerdings im Schneckentempo, die Fotografen klicken, bis die Objektive wackeln. Heilbrunner lächelt, alles andere wäre geschäftsschädigend. (Anne Feldkamp, RONDO, 22.4.2016)