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Die Zahl der Wildpferde im Bundesstaat New South Wales soll in den kommenden Jahren auf ein Zehntel reduziert werden.

Foto: REUTERS/Paulo Whitaker

An einem frühen Morgen im Kosciuszko-Nationalpark in den australischen Alpen. Eine Szene wie aus einem Western: Wildpferde galoppieren durch die magere Vegetation des Hochlands. Ein Hengst bleibt stehen, weitet seine Nüstern. Er nimmt den Geruch der Menschen auf, die ihn beobachten. Eine Stunde später, und das mächtige Tier steht mit sieben anderen Pferden aus seiner Herde in einem Gehege.

Die "Brumbies", wie die wilden Pferde genannt werden, sind von Melasse und Salz angelockt worden – eine Falle der Nationalparkbehörde. Die Tiere werden auf einen Lastwagen getrieben. Sie sind nervös, ja in Panik. Doch diese Pferde haben Glück. Sie sollen gezähmt und als Reittiere verkauft werden. Für landesweit etwa 70.000 Tiere pro Jahr ist nächster Stopp der Schlachthof. Sie werden zu Hundefutter verarbeitet.

Rasantes Wachstum

Rund 6000 Wildpferde leben im Gebiet der Snowy Mountains im Südosten Australiens im Bundesstaat New South Wales. "Der Bestand erhöht sich pro Jahr um etwa 20 Prozent", sagt Steve Horsley von der Nationalparkbehörde des Bundesstaates New South Wales, eine Zahl, die "eher noch konservativ" sei. Die Bevölkerungsexplosion unter den Brumbies soll im Verlauf der kommenden Jahre gestoppt, die Gesamtzahl auf ein Zehntel reduziert werden. "Es ist ein sehr emotionales Thema", sagt der zuständige Minister, Mark Speakman. Ein Understatement: Nichts scheint Tierschützer so in Rage zu bringen.

Brumbies sind nicht einheimisch. Ihre Vorfahren sind vor 200 Jahren von frühen Siedlern nach Australien gebracht worden. Sie dienten als Packpferde und waren maßgeblich an der Erschließung des Kontinents beteiligt. Ihre Verwendung im Ersten Weltkrieg durch die in Europa stationierten australischen Soldaten als zuverlässige und treue Militärpferde verhalf ihnen zu einem geradezu heldenhaften Status. Filme wurden gedreht, Bücher geschrieben. "Sie sind Teil unserer Kultur", sagt Jan Carter von der Tierschutzorganisation Save the Brumbies. Doch die Pferde vermehrten sich fast so rasch wie die Kaninchen, ein anderes von den Europäern nach Australien gebrachtes Tier. Wie die Nager wurden die Pferde zur Plage: Heute soll es landesweit rund eine Million Wildpferde geben, mehr als in jedem anderen Land der Welt.

So imposant die Herden galoppierender Pferde auch sind, die Tiere richten an der Umwelt verheerende Schäden an, so Experten. Die harten Hufe der Pferde kompaktierten den Boden auf den Hochflächen und wühlten die Sumpfgebiete auf, weitflächige Erosion sei die Folge. Außerdem verschmutze ihr Dung die Wasserwege. Samen im Kot hätten zur Ausbreitung von Unkraut geführt, was das Überleben vieler einheimischer Tiere und Pflanzen gefährde. Die Leidtragenden der Bevölkerungsexplosion sind nicht zuletzt die Pferde selbst: In einigen Gebieten des Hochlands, wo Nahrung besonders hart zu finden ist, sind die Tiere unterernährt. Fälle von Hungertod sind keine Ausnahme.

"Absoluter Horror"

Für die Behörden ist eine drastische Reduktion der Zahl der Tiere die einzige Möglichkeit, der Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten. Als humanste Methode der Kontrolle gilt nach Ansicht von Experten die Keulung durch lizenzierte Jäger mittels Kopfschusses.

Das ist ein schwieriges und teures Unterfangen in einem oftmals unebenen, bewaldeten und kaum befahrbaren Gebiet. Eine Kontrolle aus der Luft hat die Regierung ausgeschlossen. Vor zehn Jahren wurden bei einer Abschussaktion aus dem Hubschrauber dutzende Tiere durch Fehlschüsse verletzt. Sie starben einen qualvollen Tod.

Für Tierschützer wie Jan Carter ist jegliche Tötung inakzeptabel. "Absoluter Horror" seien die Pläne für eine Massenkeulung. Ihre Organisation prüfe nun Methoden der Geburtenkontrolle für die Pferde. In erster Linie setzt sich Carter aber für das Einfangen und Zähmen der Tiere ein. Wenn sie einmal eingeritten sind, gelten Brumbies als zuverlässige Reitpferde. Kritiker bezweifeln allerdings, dass für Tausende von Brumbies ein Heim gefunden werden kann. (Urs Wälterlin aus Canberra, 14.5.2016)