Wer in der Großstadt abends nach der Arbeit oder am Wochenende noch etwas Zeit im Grünen verbringen will, muss für gewöhnlich das Haus verlassen. Außer die Grünfläche liegt auf dem eigenen Hausdach. "In Wien gibt es jede Menge Dachgärten", sagt Gerold Steinbauer, Vorstandsvorsitzender des Verbands für Bauwerksbegrünung. Die meisten davon werden von privaten Bewohnern genutzt, einige auch gemeinschaftlich. (Foto: Dachgarten Wien-Wieden)

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Neben den ganz offensichtlichen Vorteilen, die ein Dachgarten mit sich bringt – dazu gehören die Möglichkeit, ein nahes Erholungsgebiet ohne weite Wege zu erreichen, sowie die positiven psychischen Auswirkungen, die ein Garten auf den Menschen hat – besitzt die Grünfläche auf dem Dach noch einige weitere Eigenschaften, die für Haus und Bewohner von Vorteil sind. "Ein Dachgarten hält Wasser zurück, nur zehn Prozent des Niederschlagswassers gelangt in die Kanalisation", sagt Steinbauer. Die Verdunstung entsorgt also das Wasser, das ansonsten durch Entwässerungsmaßnahmen beseitigt werden müsste. (Foto: Dachgarten Wien-Wieden)

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Zudem funktioniert ein Dachgarten als natürliche Klimaanlage für ein Haus. "Die Pflanzen dienen außerdem als Schallschutz und filtern Feinstaub aus der Luft", erklärt Steinbauer weiters. Die Grünschicht schützt auch die Dachabdichtung, etwa vor Sonneneinstrahlung oder Hagel – dadurch lebt ein Dach wesentlich länger. (Foto: Dachgarten in Wien-Ottakring)

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Voraussetzung für die Errichtung eines Dachgartens ist die Statik des Hauses. Dächer mit Neigungen von einem bis zu 30 Grad können begrünt werden. Die Unterkonstruktionen bestehen zumeist aus Beton und Holz oder aus Trapezblechen. Herkömmliche Ziegeldächer können nicht begrünt werden, Blechdächer nur mit zusätzlichen technischen Maßnahmen. (Foto: Wohnanlage Oase 22, Wien-Donaustadt)

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Ein durchschnittlicher Dachgarten besteht aus einer 30 bis 50 Zentimeter hohen Schicht Substrat. Unterschieden wird zwischen extensiver und intensiver Dachbegrünung. Erstere wird vor allem für Industriegebäude, Einkaufszentren oder Garagen verwenden, braucht kaum Pflege, hier wird meist mit Stauden oder Gräsern bepflanzt. (Foto: Dachgarten in Wien-Ottakring)

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"Die intensive Dachbegrünung ist das, was die meisten Menschen unter einem Dachgarten verstehen", sagt Steinbauer. Ein intensiver Dachgarten braucht viel Pflege, ein Bewässerungssystem und höhere statische Voraussetzungen. Diese Form ist mit Bäumen, Blumen- und Gemüsebeeten, oder sogar Teichen bebau- und bepflanzbar.

Ein Beispiel für einen intensiven Dachgarten, der zudem gemeinschaftlich genutzt wird, liegt im 14. Wiener Gemeindebezirk. Auf dem Dach des Wohn- und Kulturprojekts Sargfabrik befinden sich 1000 Quadratmeter Dachgarten mit unterschiedlicher Nutzung. "Bei uns gibt es Beete, die im Frühling gemeinschaftlich vergeben werden, einen Steinplattenkreis zum Grillen, eine Liegewiese, Obstbäume, Beerensträucher und einen Steingarten", erzählt Christa Leidinger. Sie lebt seit 20 Jahren in der Sargfabrik und kümmert sich um den Steingarten. (Foto: Dachgarten Sargfabrik)

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"Die Betreuung des restlichen Gartens funktioniert eher so nach Lust und Laune", erklärt sie. Im Falle des Gartens der Sargfabrik gibt es nur wenige Regeln. "Wenn jemand ein Fest machen will, muss er davor den Rasen mähen, ansonsten mäht ihn jemand, der merkt, dass es dringend notwendig ist", sagt Leidinger. "Der Vater eines Bewohners schneidet gerne Zwetschkenbäume, der kommt dann vorbei und erledigt das." Die Hausverwaltung mischt sich in die Organisation des Gartens nicht ein. Darüber ist Leidinger froh. Eine ehrenamtliche Gruppe trifft sich regelmäßig und bespricht Ideen oder Vorschläge, "etwa damals, als wir uns für einen Mietbienenstock entschieden haben", erzählt sie. (Foto: Dachgarten Sargfabrik)

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Der Dachgarten der Sargfabrik wird von Hobbygärtnern, aber auch für Morgenmeditation, Sporttraining und Feste genutzt, vor allem aber soll er ein Rückzugsort und ein Ort der Entspannung für die Bewohner der 100 Wohnungen sein. Probleme gibt es kaum, sagt Leidinger: "Manchmal ist es etwas lauter, aber ich fühle mich dadurch nicht belastet, obwohl ich direkt unter dem Dach wohne." (Foto: Dachgarten Sargfabrik) / (Bernadette Redl, 14.5.2016)

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