Marine Le Pen besuchte Heinz-Christian Strache in Vösendorf.

Foto: APA/Neubauer

Wenn französische, britische, deutsche und andere europäische Nationalisten zu "Immer wieder Österreich" schunkeln, dann ist das nur einer vieler Widersprüche, die sich auftun, wenn Rechtsaußenparteien zu einem europäischen Treffen zusammentreten: Freitagabend lud die FPÖ ihre Partner in der Europa-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) in die Pyramide Vösendorf.

derStandard.at

Die Europäische Union als Tod der Demokratie, Muslime als Bedrohung von Sicherheit und Identität – das sind die beiden Dauerbrenner der Reden. Für die Alternative für Deutschland (AfD) ist ENF-Abgeordneter und Nordrhein-Westfalen-Landesparteichef Marcus Pretzell als Redner geladen, während der stellvertretende Bundesparteichef Alexander Gauland nur stumm zuhören darf. Pretzell, der auch Chef der nordrhein-westfälischen AfD ist, beschwört historische Vergleiche: Schon einmal habe ein Kongress in Wien Europa neu geordnet, auch jetzt sei dies wieder möglich, und "das ist ein Versprechen und eine Drohung". Pretzell lobt ENF-Mandatar Harald Vilimsky (FPÖ), dieser habe "nicht unerhebliche Arbeit geleistet, dass ich Teil des ENF sein kann". Vilimsky wird auch als jener gefeiert, der die Vösendorfer Zusammenkunft in die Wege geleitet habe, als Dank erhält er den ersten Platz auf der Rednerliste, darf dafür aber nicht so lange sprechen wie ENF-Vorsitzende Marine Le Pen vom Front National und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Die übrigen Rechtsaußen-Vertreter aus Großbritannien, Italien, Polen, den Niederlanden, Tschechien, Rumänien und Belgien werden in streng nach Ost- und Westeuropa geteilte Dreier-Gesprächsrunden auf die Bühne geladen, wobei der in die Talkmaster-Rolle geschlüpfte Vilimsky die Aufteilung nicht mit alten Einflusssphären des Kalten Kriegs, sondern mit Asylpolitik begründet: Die osteuropäischen Länder, so Vilimsky, hätten vorbildhaft wenige Flüchtlinge aufgenommen.

Der Anlass des Treffens wird nicht erklärt, könnte aber im einjährigen Jubiläum der im Juni 2015 gegründeten ENF bestehen. Die Gründung der Fraktion eröffnete den nationalen Rechtsparteien den Zugang zu Klubförderung aus dem EU-Budget, was sie nicht daran hindert, mit diesem Geld die Werbetrommel für einen EU-Austritt des jeweiligen Herkunftslandes zu schlagen. Das tun sie auch Freitagabend in Vösendorf in ohrenbetäubender Lautstärke. Das Motto "So wenig gemeinsame europäische Politik wie möglich" ist der kleinste gemeinsame Nenner. Die Europäische Union, so Marine Le Pen, vertrete nur die Interessen der globalen Konzerne. Brüssel höhle die Arbeitnehmerrechte aus, und die Gewerkschaften, selbst "durchdrungen von Europäismus", seien Teil des Problems. Die EU schade dem Patriotismus der Bürger, meint auch Pretzell – und der AfD-Politiker sagt auch, was er darunter versteht: "Ein großer Patriot liebt das, was Deutschland einmal war".

"Voigas-Plattler"

Rotweißrote Fahnen überall, Pyrotechnik und Musik, die besser zur berittenen Schlacht im Mittelalterfilm passen würde als zu den Anzug- und Kostümträgern auf der Bühne. Der Rahmen ist pompös. Aber auch Bodenständiges kommt nicht zu kurz, die "Voigas-Plattler" tanzen, das Tiroler Land wird besungen, um für etwas Leichtigkeit zu sorgen, bevor im nächsten Redebeitrag Flüchtlinge zu Parasiten erklärt werden: " Erlaubt nicht, dass die fremden Einwanderer euer Blut aussaugen", darf der polnische Abgeordnete Michal Marusik vom polnischen Kongres Nowej Prawicy sagen – und wird dafür eifrig beklatscht.

Als letzter Redner tritt Heinz-Christian Strache auf. Immer wieder zieht er rhetorische Schleifen, kommt vom Eurozentrismus zur "modernen Völkerwanderung", die "ethische Konflikte, ja fast Kriege" in Europas Städten mit sich bringe, und schwingt sich weiter zu den Linken als den "neuen Faschisten" und wieder zurück nach zum Brüsseler "Diktat". Die Aufmerksamkeit im Publikum ist zwar spürbar gesunken, applaudiert wird dennoch weiter brav.

Beifall für Hofer

Der tosendste Beifall wird jedoch einem Politiker zuteil, der die Bühne gar nicht betreten darf: dem knapp gescheiterten FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer. Er wird mit "Hofer, Hofer"-Rufen bejubelt, er wird von Gästen um gemeinsame Selfies gebeten, während der neben ihm sitzende Strache übersehen wird, und auch bei den Auslandsgästen scheint er Straches Ruhm zu übertrumpfen: Die aus Großbritannien angereiste, wegen eines Spesenskandals aus der antieuropäischen Ukip ausgeschlossene und nunmehr unabhängige EU-Abgeordnete Janice Atkinson und der belgische Mandatar Gerolf Annemans vom Vlaams Belang twittern Freitagnachmittag Selfies mit dem dritten Nationalratspräsidenten, nicht mit dem FPÖ-Chef. Doch Marine Le Pen hält zu Strache: Sie lobt ihren Gastgeber als Zukunftshoffnung der Österreicher und endet ihre Rede mit den Worten: "Vive L‘ Autriche, vive la FPÖ et vive la France!" (Text: Maria Sterkl, Video: Maria von Usslar, 17.6.2016)