Eignet sich die Ziege zur besten Freundin des Menschen? Auch wenn dieses Foto eher Zweifel weckt: Eine britische Studie zeigt, dass uns die Hornträger weitaus besser verstehen, als man bisher annahm.

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London/Wien – In unseren Breiten hat die Ziege keine allzu gute Nachrede. Mit dem vorangestellten Attribut "blöd" wird sie zur Beschimpfung für Personen, die sich eher dumm verhalten. Dabei gehören die Hornträger, wie nicht erst eine neue Studie aus England zeigt, zu den klügeren unter den Säugetieren. Und sie haben sich so manches vom Menschen abgeschaut, ohne dass es diesem bis jetzt groß aufgefallen wäre.

Doch alles der Reihe nach. Nach dem Hund war die Ziege zusammen mit dem Schaf vermutlich das erste vom Menschen genutzte Haustier. Die Domestizierung der Ziegen erfolgte wahrscheinlich vor rund 13.000 Jahren im Vorderen Orient, vermutlich in der Gegend des heutigen Israels und Jordaniens oder im Iran.

Dass die Domestizierung auch Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten der Tiere hat, die der Mensch an sich gewöhnt hat, ist aus Studien vor allem an Hunden längst bestens dokumentiert. Der beste Freund des Menschen hat sich ein komplexes Verhaltensrepertoire "angewöhnt", das mit dem Verhalten des Herrls verbunden ist: So können Hunde etwa dem Blick des Menschen folgen.

Doch wie ist das bei Ziegen, die anders als Hunde oder Pferde weder als Begleiter noch Transporteure des Menschen abgerichtet wurden? Hatte diese "Domestizierung light" bei der "Kuh des kleinen Mannes", die bloß Fleisch, Leder, Milch und mitunter auch Wolle liefern soll, Auswirkungen auf die Intelligenz und nicht zuletzt: die Fähigkeit, mit dem Menschen zu kommunizieren?

Forscher um Alan McElligott (Queen Mary University of London) machten die Probe aufs Exempel: Sie trainierten einige Hausziegen darauf, den Deckel von einer Schachtel zu entfernen und sich eine Belohnung abzuholen. In weiterer Folge verwehrten die Forscher den Ziegen das Erfolgserlebnis und beobachteten, wie sich die Tiere gegenüber den menschlichen Experimentatoren verhielten, die entweder die Ziegen anblickten oder sich von ihnen wegdrehten.

Wie Erstautor Christian Nawroth mit seinen Kollegen im Fachblatt "Biology Letters" der Royal Society berichtet, verhielten sich Ziegen genauso wie Hunde: Wenn sich die Experimentatoren den Tieren zuwandten, starrten die Ziegen die Experimentatoren sehr viel länger an, weil sie sich aus ihrer Reaktion eine Lösung des Rätsels erwarteten.

"Unsere Ergebnisse liefern starke Hinweise darauf, dass auch ein Tier, das aus landwirtschaftlichen Gründen domestiziert wurde, zur komplexen Kommunikation mit Menschen imstande ist", so Nawroth. Ziegen würden dabei große Ähnlichkeiten mit Hunden oder Pferden zeigen. "Zwar wussten wir schon aus früheren Studien, dass Ziegen intelligenter sind als angenommen", ergänzt McElligott. Doch diese neuen Ergebnisse würden darauf hindeuten, dass die Domestizierung für bisher unterschätzte kognitive Effekte bei Tieren sorgen dürfte. (Klaus Taschwer, 9.7.2016)