Köln – Alle Zellen haben den identischen genetischen Code, egal ob es sich um Haut- oder Gehirnzellen handelt. Der große Unterschied: Zellen sind völlig verschiedenen Umgebungen und mechanischen Belastungen ausgesetzt. So sind Gehirnzellen sehr weich, Knochen extrem hart.

Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Zellen auf externe Kräfte mit Änderungen in ihrer Struktur und Genexpression reagieren können, um sich ihrer Umgebung besser anzupassen und weiterhin ihre Funktion aufrecht erhalten zu können. Die molekularen Mechanismen dieser Regulierung waren aber bislang unklar.

"Unsere Haut beschützt uns gegen unsere Umgebung und ist dabei dauerhaft toxischen Substanzen, UV-Strahlung und mechanischer Belastung ausgesetzt. Daher ist es besonders für Hautzellen sehr wichtig, auf äußere Kräfte reagieren zu können", erklärt Huy Quang Le vom Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns.

Struktur ändert sich durch mechanischen Reiz

Um zu untersuchen, wie Hautzellen auf Belastung reagieren, nutzten Huy Quang Le und sein Forscherteam eine mechanische Vorrichtung, die Stammzellkulturen von Hautzellen so dehnte, wie das auch im Gewebe vorkommt. Die Genexpression der gedehnten Zellen wurden mithilfe von Hochdurchsatzsequenzierung (next-generation-sequencing) analysiert.

Dabei zeigte sich, dass tausende Gene herunter reguliert waren, aber nur sehr wenige Gene eine gesteigerte Expression hatten. Die Wissenschafter fanden außerdem heraus, dass die Dehnung einen maßgeblichen Einfluss darauf hatte, wie die DNA im Zellkern vorliegt. In Folge kommt es zu einer weitreichenden Unterdrückung der transkriptionalen Aktivität der Zelle, was bedeutet, dass weniger DNA in messengerRNA zur Herstellung von Proteinen kopiert wird.

Damit sich eine Stammzelle differenzieren kann, müssen viele Gene transkribiert werden. So erhält die Zelle ihre spezielle Architektur und Funktion. Als Resultat der mechanischen Dehnung konnten sich die Zellen nicht differenzieren. "Es war aufregend festzustellen, dass wir die strukturelle Organisation der DNA einfach durch eine mechanischen Reizung der Stammzellen verändern konnten", so die Autoren der Studie.

Möglicher Nutzen gegen Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie

Bei der weiterer Untersuchung der zellulären Mechanismen der neu geordneten DNA fanden die Forscher heraus, dass die mechanischen Kräfte an der Kernhülle registriert werden, einer Struktur, die die DNA umgibt und vom Rest der Zelle trennt. Eines der Schlüsselproteine in diesem Prozess ist Emerin, das den Kern und die DNA mit dem Cytoskelett verbindet. Dieses Skelett ist die Struktur, die der Zelle Stabilität gibt.

Das Protein Emerin liegt häufig in mutierter Form bei der Krankheit Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie vor. Patienten, die an dieser Erkrankung leiden, weisen eine Degeneration mechanisch belasteter Gewebe auf, zum Beispiel in Skelettmuskeln, dem Herz oder der Haut. "Der genaue Mechanismus dieser Krankheit ist noch unbekannt und uns fehlen effektive Behandlungsmöglichkeiten," so die Wissenschafter. Die Forscher wollen nun prüfen, ob der in der Studie entdeckte Mechanismus eine Rolle in der Pathogenese der Krankheit spielt. (red, 12.7.2016)