Dieser Schlangenhautkiefer aus Nordgriechenland sieht man die 1.075 Jahresringe kaum an – weshalb sie Adonis getauft wurde.

Foto: Oliver Konter
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Untersuchungsleiter Paul Krusic bohrt den Baum an, um anhand des Bohrkerns die Zahl der Jahresringe und damit das Alter des Baums zu bestimmen.

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Stockholm/Wien – Kürzlich erst haben Forscher das langlebigste Wirbeltier der Welt identifiziert: Es ist der Grönlandhai, der vermutlich über 400 Jahre alt werden kann – viel älter als bisher gedacht. Die jüngste Methusalemmeldung kommt aus der Botanik, und diesmal erstaunt eher das verhältnismäßig geringe Alter.

Laut einem internationalen Forscherteam um den schwedischen Dendrochronologen Paul Krusic (Uni Stockholm) zählt der neue Rekordhalter – eine Schlangenhautkiefer (Pinus heldreichii) in Nordgriechenland – nämlich gerade einmal 1.075 Jahresringe. Das ist recht wenig, verglichen etwa mit dem ältesten Baum der Welt.

5.067 gezählte Jahresringe

Das ist seit dem Jahr 2012 eine Langlebige Grannenkiefer in den kalifornischen White Mountains. Diese Kiefer ist mit ziemlich genau 5.067 Jahren fast fünfmal älter als ihre entfernte Verwandte in Nordgriechenland. Es gibt freilich auch in Europa sehr viel ältere Bäume, wenn man etwas anderes misst als die Anzahl der Jahresringe: Im schwedischen Nationalpark Fulufjället wurde 2008 eine Fichte entdeckt, deren Wurzeln zum Teil bis zu rund 9.560 Jahre alt sind. Der eigentliche vier Meter hohe Nadelbaum, der den Namen Old Tjikko trägt, ist allerdings "nur" ein Klon mit sehr viel weniger Jahresringen.

Auch der neue europäische Jahresringchampion vom Pindos, einem griechischen Gebirgszug nahe der Grenze zu Albanien, hat einen Namen bekommen: Adonis. Das ist der griechische Gott der Schönheit, und tatsächlich sieht die Schlangenhautkiefer immer noch sehr ansehnlich aus. Umgeben ist sie übrigens von einigen ähnlich urtümlichen Kolleginnen.

Mitautor Oliver Konter von der Uni Mainz begründet auf Nachfrage, warum er und seine Kollegen Adonis zum europäischen Rekordhalter erklärten: "Es mag zwar noch ältere Bäume geben, jedoch eignen sich nicht alle Baumarten zur definitiven Altersbestimmung, da hierzu deutlich erkennbare Jahrringe erforderlich sind. Dies ist bei manchen Laubbäumen wie Olivenbäumen deutlich schwieriger als bei Kiefern. Bei Adonis kann man das Alter aber mit Sicherheit angeben."

Drei überlebte Imperien

Für Paul Krusic und seine Kollegen ist die Entdeckung nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil diese großen, komplexen und eindrucksvollen Organismen so lange in einer so unwirtlichen Umgebung überleben konnten – noch dazu in einem Land, das sich bereits sehr früh zivilisiert hat. Wie Konter ergänzt, befinden sich die Bäume auf einer Höhe von über 2.000 Metern Seehöhe und sind sind dort nicht leicht zugänglich, vor allem aufgrund der Unwegsamkeit des Terrains. Forstwirtschaft gebe es in der Region nicht flächendeckend.

Und so kam es, dass Adonis, die alte Schlangenhautkiefer, das Kommen und Gehen zahlreicher Imperien erlebte: Als der Same der Kiefer austrieb, war das Byzantinische Reich gerade auf seinem Höhepunkt. Im Alter von 500 Jahren wurde Griechenland Teil des Osmanischen Reiches. Und als die Kiefer tausend Jahre alt wurde, okkupierten die Truppen des "Tausendjährigen Reiches" gerade Griechenland. (Klaus Taschwer, 23.8.2016)