805 Tonnen Arzneimittel wurden im Jahr 2014 verbraucht. Das sind mehr als zwei Tonnen pro Tag, wie das Umweltbundesamt erhoben hat.

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Wien – Dem Österreicher ist der Schmerz nicht fremd: Knapp 40 Prozent der Bevölkerung klagen über wiederkehrende Beschwerden im Nacken oder Rücken, der Kopf schmerzt etwa jeden Zweiten regelmäßig.

Das dürfte sich auch am steigenden Verbrauch von Arzneimitteln zeigen. Derzeit sind es mehr als zwei Tonnen täglich, wie es in einer Studie des Umweltbundesamts heißt.

In Österreich sind mehr als 13.000 verschiedene Medikamente zugelassen, auch die Palette der enthaltenen Wirkstoffe wird immer größer. Das lässt sich durch Umweltanalysen nachweisen: Mittlerweile sind die Inhaltsstoffe von Arzneimitteln in Abwässern, Flüssen und Seen, aber auch im Grund- und Trinkwasser sowie im Boden, Klärschlamm und Kompost in ganz Österreich zu finden, schreiben die Studienautoren.

Was die Österreicher schlucken

Beinahe jedes dritte geschluckte Medikament (30 Prozent) ist ein Schmerzmittel, gefolgt von Antidiabetika mit mehr als 18 Prozent und Psychopharmaka mit knapp 14 Prozent. Antibiotika landen mit einem Anteil von neun Prozent auf Platz vier. Insgesamt verbrauchten die Österreicher im Jahr 2014 mehr als 805 Tonnen Medikamente.

Was die Forscher noch betonen: 2014 wurden knapp 245 Tonnen an Schmerzmitteln, Entzündungshemmern und Antirheumatika verschrieben. Das bedeutet ein Anstieg um 50 Prozent seit 1997. Antidiabetika kamen 2014 auf knapp 147 Tonnen. Metformin war mit mehr als 141,5 Tonnen der verbrauchsstärkste zugelassene Wirkstoff, sein Einsatz ist seit 1997 um 400 Prozent gestiegen.

Psychopharmaka, Antiepileptika und Mittel zur Behandlung des Nervensystems (Nootropika) rangieren mit einem Verbrauch von 110 Tonnen an dritter Stelle der Statistik. Am häufigsten eingenommen wurde hier der pflanzliche Wirkstoff Passiflora incarnata (Passionsblumenkraut) mit knapp 27 Tonnen. Die Gruppe der Antibiotika liegt mit 68,5 Tonnen an vierter Stelle und hat seit 1997 um knapp 40 Prozent zugelegt.

Medikamente nicht infrage gestellt

Um die Versorgung von chronischen Schmerzpatienten sei es in Österreich schlecht bestellt: Schmerzambulanzen werden geschlossen, die Wartezeiten für Magnetresonanz-Untersuchungen bei Gelenksproblemen dauern zu lange, in ganz Österreich gebe es nur 20 Kassen-Rheumatologen, wie die Österreichische Schmerzgesellschaft Anfang des Jahres kritisierte. Das könnte auch den zunehmenden Verbrauch von Schmerzmitteln erklären.

"Mit unserer Studie möchten wir keineswegs den Einsatz von Arzneimitteln infrage stellen. Wir machen allerdings darauf aufmerksam, dass wir sie bereits in der Umwelt finden", betont Gundi Lorbeer, Leiterin der Prüfstelle im Umweltbundesamt. "Unser Lebensstil hinterlässt Spuren in der Umwelt. In kommunalen Abwässern werden sehr viele Arzneimittelwirkstoffe nachgewiesen – die gemessenen Konzentrationen spiegeln die Verbrauchsstatistik wider", ergänzt Manfred Clara, Experte für Oberflächengewässer im Umweltbundesamt.

Nicht nur die hohen Verbrauchsmengen machen der Umwelt zu schaffen, oft sind es auch die Eigenschaften der Wirkstoffe, schreiben die Studienautoren. Viele von ihnen seien langlebig, wasserlöslich und mobil und können dadurch zum Problem werden. Das gilt auch für Arzneimittel in der Veterinärmedizin. "Wir raten zu einem sorgsamen Umgang mit Arzneimitteln, vor allem bei der Entsorgung. Medikamente gehören nicht in den Abfall, sondern zurück in die Apotheke oder zu Problemstoffsammelstellen", meint Lorbeer. (red, 24.8.2016)