Informationen, egal ob real oder fiktiv, werden in ihrer Gesamtheit von unserem Gehirn aufgenommen. Was uns emotional bewegt, setzt sich fest und verändert unsere Einstellung zur Welt.

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"Es ist nicht Lupus", heißt es viele Male in der US-Serie Dr. House. Obwohl der Fernseharzt bei komplizierten Fällen immer wieder vermutet, ein Patient leide an Lupus, wird die Krankheit in acht Staffeln nur einmal diagnostiziert. Zu Bekanntheit hat es die Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes in jedem Fall gebracht: Der Satz "It's not lupus" wurde auf Fanshirts gedruckt, die Serie erhielt einen Preis dafür, das Bewusstsein für Lupus gesteigert zu haben.

Fernsehen verändert die Realitätswahrnehmung der Zuseher, so das Ergebnis zahlreicher Studien. Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung der Med-Uni Wien hat gezeigt, dass die verzerrte Darstellung der Welt im Fernsehen auch zu einer verzerrten Wahrnehmung der realen Welt führen kann: Jeder zehnte Vielseher glaubt demnach, dass es die Todesstrafe in Österreich noch gibt, zudem überschätzen sie die Zahl von Personen in jenen Berufsgruppen, die oft im Fernsehen porträtiert werden, zum Beispiel Ärzte, Anwälte oder Polizisten.

Das Fernsehen verändert aber nicht nur das Wissen der Zuseher, sondern auch ihre Werte und Sorgen. Arztserien wie Dr. House thematisieren schwere Krankheiten. Dadurch kann sich das Empfinden der Angst vor diesen Erkrankungen bei Vielsehern erhöhen, und ihre psychische Gesundheit leidet, ergab eine Studie der Universität Rhode Island im Jahr 2010. "Die große Menge medizinischer Inhalte in Nachrichten, Serien und Filmen führt beim Zuseher zu dem Glauben, er habe eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich die thematisierten Krankheiten zuzuziehen", so das Studienergebnis. Der Zuseher wird zum Hypochonder.

Verzerrte Welt

Ähnliches gilt auch für die Darstellung von Gewalttaten: "Vielseher überschätzen die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Verbrechens zu werden", sagt Benedikt Till vom Zentrum für Public Health am Institut für Sozialmedizin der Med-Uni Wien. "Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass angsteinflößende TV-Formate dazu führen, dass Menschen ängstlicher werden und sich auch so verhalten. Diese Leute treffen auch mehr Vorkehrungen, um sich vor Verbrechen zu schützen, und legen sich häufiger Waffen zu."

Medienpsychologe Josef Sawetz weiß, was beim Medienkonsum in unserem Kopf passiert: "Unser Gehirn nimmt in den ersten Momenten der Wahrnehmung alles ungesiebt auf. Informationen gehen unbewusst in das Gehirn ein. In den frühen, evolutionär alten Gehirnbereichen kann dabei nicht getrennt werden, ob eine Information aus der realen Umgebung oder der künstlichen, kulturell inszenierten Medienwelt kommt." Gerade Themen wie Krankheit oder Gewalt beeindrucken den Menschen zuallererst emotional – hier könne das Gehirn nicht differenzieren. Somit werden auch fiktive Informationen als Faktum aufgenommen.

"Reale Ereignisse werden im Fernsehen wie in allen Medien durch Auswahl von Themen und Darstellungsformen verzerrt und abweichend von der objektiven Realität dargestellt. Bewegte Bilder haben zudem einen starken emotionalen Impact, ihre Inszenierung kann die Einstellung des Zusehers stark verändern, etwa zum gesundheitlichen Selbstbild oder zu Gefahren, die einen auf der Straße erwarten", so Sawetz.

Leben mit Filter

Wenn Medien Überfälle, Vergewaltigungen oder Terror häufig und sehr emotional vermitteln, werden entsprechende neuronale Schemata geformt und verstärkt. "Das Gehirn versucht dann damit, den nächsten Moment im Leben vorwegzunehmen, um besser und schneller auf neue Situationen reagieren zu können. Das beeinflusst die Wirklichkeitswahrnehmung. Ein Beispiel: Ein Mensch, der immer wieder Gewaltsituationen in den Medien gesehen hat, sieht eine ambivalente Szene oder die nonverbalen Signale eines Menschen auf der Straße immer zuerst durch diesen Filter. Das wirkt sich langfristig auf die eigene Angstschwelle und das eigene Aggressionspotenzial aus", sagt Sawetz. Ähnlich ist es auch mit Krankheiten. Wer im Fernsehen sieht, dass Kopfweh von einem Hirntumor kommt, glaubt auch im realen Leben, dass hinter Kopfschmerzen Krebs stecken könnte.

Benedikt Till rät zu kritischerem Medienkonsum und fordert mehr Medienerziehung in Schulen. "Es braucht ein größeres Bewusstsein für die Medienwirkung. Viele glauben, was im Fernsehen läuft, beeinflusst nur die anderen, nicht einen selbst." (Bernadette Redl, 27.8.2016)