In Zeiten der Identitätskrise, so Teresa Indjein, Leiterin der Kultursektion im Außenamt, brauchen wir die Kultur: "Damit wir wissen, wer wir sind und wer wir werden können.

Foto: Niko Havranek

Wien – Mittlerweile hat sie Showcharakter. Unter Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich die sogenannte Auslandskulturtagung vom intimen Diplomatensymposium zu einem kleinen Massenevent entwickelt.

Hunderte Spitzen aus Kultur, Politik, Wissenschaft, NGOs, Religion und Diplomatie versammelten sich vergangene Woche in der Wiener Eventlocation Platinum zur flotten Jahresrückschau. Als Motto hatte die Kultursektion des Außenministeriums schlüssigerweise "Netzwerken!" ausgegeben.

Das Netz der Österreichischen Auslandskultur ist nach wie vor umfassend. Derzeit hat man 87 Botschaften, 31 Kulturforen, 65 Österreich-Bibliotheken und acht Österreich-Institute. 2015 wickelten diese Einrichtungen über 6000 kulturelle Veranstaltungen mit 8000 beteiligten Künstlern und Wissenschaftern ab.

Gut vier Millionen Euro ist der Regierung die Auslandskulturarbeit heute noch wert, einst waren die Budgets deutlich besser dotiert. "Aber wir sind schon froh, wenn es stabil bleibt", sagt Teresa Indjein. Die 55-Jährige leitet die Kultursektion seit Anfang des Jahres. Nachgefolgt war sie Wolfgang Waldner, der als Botschafter nach Washington wechselte. Ihre Rede auf der Tagung inszeniert Indjein als Theaterdialog. Das Klischee vom steifen, ästhetisch konservativen Kulturattaché will man nicht mehr gelten lassen. "Es geht ja längst nicht mehr nur um Repräsentation, um Klimt und Mozart", sagt Indjein, "ich halte es mit Emil Brix, der meinte, mit Klischees müsse man kreativ umgehen, dann können sie auch einen Dialog auslösen."

Inspiration und Kontexte

Dass die Sparte Musik bei den Kulturbemühungen des Außenamts traditionell an erster Stelle steht, erfüllt zwar das Klischee vom Musikland, "aber die Bandbreite ist mittlerweile riesig. Heute gibt es so tolle Musiker, von Klassik über Jazz und Pop bis Weltmusik, die in allen Kulturen verstanden werden. Es ist toll, wenn wir jemanden ins Ausland einladen und er nach dem Auftritt 45 Anfragen aus aller Welt bekommt."

2014 hätten auch erstmals die Filmveranstaltungen überwogen. "Der österreichische Film hat ja in der Welt immens an Wertigkeit gewonnen." Das deutsche Regietalent Patrick Vollrath, der in Wien studierte und 2016 für den Oscar nominiert wurde, unterstützten die Kulturforen bei seinen Reisen nach Teheran, Tel Aviv, Finnland Brüssel, Cannes oder New York. "Nachwuchsförderung ist uns heute sehr wichtig", sagt Teresa Indjein.

Jeweils 600 bis 700 Veranstaltungen jährlich werden in den Sparten Literatur, Theater und Tanz, Wissenschaft und Kunst durchgeführt. Um die Qualität von Ausstellungen zu steigern, entwickelt man derzeit ein neues Austauschprogramm: "Wir laden Kuratoren aus den jeweiligen Ländern nach Wien ein und binden sie an eine Institution. Dort können sie Inspiration und Kontakte finden. Danach sollen sie in ihrem Herkunftsland eine Ausstellung mit Österreichbezug kuratieren."

Kulturauftrag

Gerade von Museumsdirektoren, heute selbst bestens vernetzt, kommt oft der Vorwurf, die Kulturdiplomatie habe sich teils überholt, weil der Kunstbetrieb zum Selbstläufer geworden sei. Indjein sieht das anders: "Bei uns spielt eben der Förderaspekt eine größere Rolle. Außerdem finde ich manchmal so eine kreative Eifersucht ganz hübsch. Für die Sache der Kultur ist es doch positiv, wenn sich die verschiedenen Kultureinrichtungen, der Bund, die Städte und Bundesländer allesamt international engagieren."

Sollte man angesichts knapper Budgets die Mittel auf weniger Einrichtungen konzentrieren? Nein, meint Indjein. "Ich stehe nach wie vor zu der Idee, dass alle unsere Botschaften einen Kulturauftrag erfüllen sollen. Es sind oft kleine Budgets, und man wundert sich, was sie daraus machen. Zumindest Anstoßfinanzierungen müssen da sein, der Rest geht dann oft über Sponsoren. Daher ein Plädoyer für die Gießkanne!"

Es wäre auch ein Fehler, würde man in der EU zurückschalten und auf Drittstaaten fokussieren. "Man darf gar nicht so vermessen sein zu glauben, dass bilaterale Beziehungen in Europa zum Selbstläufer werden. Auch die muss man ständig pflegen", warnt Indjein. In heiklen Situationen wie in der Türkei setze man vor allem auf Stabilität. "Das Kulturforum in Istanbul macht unbeirrt seine Projekte weiter. Es hat ja keinen Sinn irgendwas zu verstärken, das Signal ist: Wir sind genauso wie bisher, weiterhin offen. Systemkritische Leute konnten bei uns immer über den Weg von Kulturprojekten agieren."

Subtiler Protest

Genau dieser subtile Protest ist es auch, wenn man speziell im Iran, wo offen Antisemitismus gelebt wird, eine Ausstellung zur jüdischen Minderheit konzipiert. Das Potenzial derartiger "Soft Power" entdeckt zunehmend auch die EU für sich. So hat sich das Netzwerk EUNIC mit dem Ziel gebildet, europäische Kulturpolitik nach außen auf ein neues Level zu heben. Die Arbeit nach innen bleibt dennoch wichtig. Denn gerade in Zeiten der Identitätskrise, meint Indjein, brauchten wir die Kunst: "Damit wir wissen, wer wir sind und wer wir sein können." (Stefan Weiss, 12.9.2016)